Immer mehr Landwirte interessieren sich für Agri-Photovoltaik-Anlagen. Lukian und Olaf Wilkens aus Niedersachsen sind bereits in die Planung eingestiegen.
Die Konkurrenz zwischen Landwirtschaft und Energieerzeugung entschärfen kann eine Agri-Photovoltaikanlage (Agri-PV): Hier steht die Landwirtschaft im Vordergrund, die PV-Anlage ist so gebaut, dass eine Bewirtschaftung zwischen oder unter den Modulen möglich ist.
„Weil die Flächen unter einer Agri-PV den Ackerstatus behalten, prämienfähig sind und die Pflanzen unter den Modulen vom Schatten profitieren können, haben wir uns für den Bau entschieden,“ sagt der niedersächsische Biolandwirt Olaf Wilkens, der die Anlage zusammen mit seinem Sohn Lukian plant.
Für Agri-PV sind derzeit drei Konzepte gängig:
Vertikal (senkrecht) stehende Systeme: Sie stehen zaunartig in Nord-Süd-Richtung auf der Fläche. Mit sogenannten bifacialen Modulen erzeugen sie auf beiden Seiten vor allem vor- und nachmittags Strom.
Nachgeführte Agri-PV: Aufgebaut in Nord-Süd-Reihen drehen Elektroantriebe die Module im Idealfall von Osten nach Westen mit der Sonne mit.
Hochaufgeständerte Anlagen: Hier wird unter den Modulen gewirtschaftet, die nach Süden ausgerichtet sind.
Module folgen der Sonne
Familie Wilkens entschied sich für ein nachgeführtes Trackingsystem. Durch den Elektroantrieb ist es zwar teurer, produziert aber auch mehr Strom, weil die Sonne immer im optimalen Winkel auf die Module fallen kann. Auch für die Bewirtschaftung sieht Olaf Wilkens Vorteile: „Durch die Drehbarkeit können wir die Module senkrecht stellen, wenn wir zwischen den Reihen mit dem Schlepper unterwegs sind,“ so der Landwirt und ergänzt: „Für die Aufständerung der Module in 2,50 m Höhe werden nur Streifen von jeweils 2 m Ackerland benötigt.“
Für die rund 20 000 m2 Modulfläche haben die Wilkens 9,9 ha Ackerland in Betriebsnähe ausgewählt. Der Abstand zwischen den Modulreihen liegt bei 14 Metern, sodass 12 Meter dazwischen bewirtschaftbar sind.
Ursprünglich hatte Familie Wilkens gehofft, von der neuen Privilegierung von Agri-PV im Außenbereich profitieren zu können. Danach sind Agri-PV unter 25 000 m2 im Außenbereich privilegiert, wenn sie u. a. einen räumlich-funktionalen Zusammenhang mit der Betriebstätte haben. Allerdings ist die Auslegung des Gesetzes noch nicht ausreichend geklärt. (s. Kasten)
Vorteile
Gegenüber der konventionellen Freiflächen-PV genießen Agri-PV bei Steuern, EU-Förderung und Einspeisepreisen einige Vorteile. Grundsätzlich ist Agri-PV dabei auf Ackerland und Grünland möglich. Als Agri-PV gilt eine Anlage vor allem dann, wenn sie die strengen Vorschriften der DIN SPEC 91434 erfüllt. Die Betreiber müssen u.a.
ein landwirtschaftliches Nutzungskonzept vorlegen,
mindestens 85 % bzw. 90 % der Fläche landwirtschaftlich bewirtschaften,
66 % der in der Region üblichen Erträge einfahren.
Welche Vorteile gelten?
EEG: Agri-PV sind nach Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) auf fast allen landwirtschaftlichen Flächen nach dem EEG förderfähig und nicht nur auf den 500-m-Streifen entlang von Autobahnen etc. wie Freiflächen-PV.
Erbschaftssteuer: Die Erbschaftssteuerproblematik der Freiflächen-PV spielt bei Agri-PV keine Rolle: Sie bleiben im land- und forstwirtschaftlichen Vermögen mit Grundsteuer A.
EU-Flächenprämien: Agri-PV-Flächen können auf den Flächen zwischen den Modulständern weiter landwirtschaftliche Direktzahlungen erhalten, z. B. die Grundprämie von 156 €/ha. Hat die Fläche Ackerstatus, bleibt dieser erhalten.
Privilegierung: Baurechtlich sind kleine hofnahe Agri-PV nach § 35 BauGB seit Sommer letzten Jahres privilegiert. Es reicht also ein Bauantrag aus, die Gemeinde muss keinen Bebauungsplan aufstellen. Welche Anlagen genau privilegiert sind, ist allerdings noch unklar.
Ein Beispiel: Im § 35 Abs. 1 S. 1 Nr. 9 BauGB wird die Zahl von 25 000 m2 (2,5 ha) genannt. Während viele Gemeinden dies auf die Projektfläche (also die Bodenfläche) beziehen, argumentieren Rechtsanwälte, dass damit auch die Modulfläche gemeint sein könne. Ebenso auslegungsbedürftig ist die Anforderung, dass die Anlage im „räumlich-funktionalen Zusammenhang“ zum landwirtschaftlichen Betrieb steht.
Was den funktionalen Zusammenhang angeht, ist der Nutzen der Agri-PV für den Betrieb entscheidend. Allein die Tatsache, dass die Solaranlage auf einer auch landwirtschaftlich genutzten Fläche steht, reicht dazu nicht. Da Forschungsergebnisse positive Auswirkungen der Anlagen auf das Pflanzenwachstum zeigen, könnte das ein Einsatzpunkt für den funktionalen Zusammenhang sein, wenn man das Konzept der Agri-PV darauf zuschneidet. Am Ende entscheidend ist die Gesamtbetrachtung für den Einzelfall vor Ort.
Dreh- und Angelpunkt für die Wirtschaftlichkeit ist der Strompreis. Bis zu einer installierten Leistung von bis zu 1 MWp gewährt das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) Agri-PV derzeit eine feste Mindestvergütung in Höhe von 6,93 ct/kWh – der gleiche Satz wie für Freiflächen-PV.
Agri-PV mit Modulen in einer Höhe von mind. 2,1 m erhalten zusätzlich zur gesetzlichen Vergütung von derzeit 6,93 ct/kWh einen festen Satz von 2,5 ct/kWh für besondere Agri-PV. Dieser Satz basiert auf dem Solarpaket 1. Mit ihrer 4,5 MW-Anlage profitieren die Wilkens aber nicht von der Mindestvergütung – sie müssen an der Ausschreibung der Bundesnetzagentur teilnehmen, der Höchstwert liegt hier bei 9,5 ct/kWh.
Rechnet sich die Anlage?
Familie Wilkens geht bei der Wirtschaftlichkeitsrechnung von folgenden Eckdaten aus:
Netzeinspeisepunkt: Rund 100 € kostet jeder Meter Kabelleitung zum Netzanschluss.
Anlagenkosten: Pro kWp kalkulieren die Wilkens mit 750 €, zuzüglich 150 € Nebenkosten. Diese Kosten sind noch mit großen Unsicherheiten behaftet.
Stromertrag: Eine baugleiche Anlage in Bayern kommt verglichen mit einer südausgerichteten Freiflächen-PV bezogen auf die installierte Leistung auf 20 % Mehrertrag. Familie Wilkens geht für ihre Anlage von gut 1 100 kWh/kWp aus.
Für ihre 4,5 MW-Anlage rechnen die Wilkens mit einer Investition von rund 4 Mio. €. Sie wollen die Anlage in Form einer GmbH komplett selbst finanzieren und betreiben, ihre Bank hat bereits grünes Licht gegeben. Neben der Doppelnutzung der landwirtschaftlichen Fläche verfolgen Olaf und Lukian Wilkens noch ein weiteres Ziel: Neben dem Biobetrieb und der eigenen Agri-PV-Anlage sind sie als Projektierer bei der Firma Doppelernte eingestiegen. „Die Anlage sehen wir deshalb auch als Pilotprojekt,“ so Vater und Sohn Wilkens.
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Die Konkurrenz zwischen Landwirtschaft und Energieerzeugung entschärfen kann eine Agri-Photovoltaikanlage (Agri-PV): Hier steht die Landwirtschaft im Vordergrund, die PV-Anlage ist so gebaut, dass eine Bewirtschaftung zwischen oder unter den Modulen möglich ist.
„Weil die Flächen unter einer Agri-PV den Ackerstatus behalten, prämienfähig sind und die Pflanzen unter den Modulen vom Schatten profitieren können, haben wir uns für den Bau entschieden,“ sagt der niedersächsische Biolandwirt Olaf Wilkens, der die Anlage zusammen mit seinem Sohn Lukian plant.
Für Agri-PV sind derzeit drei Konzepte gängig:
Vertikal (senkrecht) stehende Systeme: Sie stehen zaunartig in Nord-Süd-Richtung auf der Fläche. Mit sogenannten bifacialen Modulen erzeugen sie auf beiden Seiten vor allem vor- und nachmittags Strom.
Nachgeführte Agri-PV: Aufgebaut in Nord-Süd-Reihen drehen Elektroantriebe die Module im Idealfall von Osten nach Westen mit der Sonne mit.
Hochaufgeständerte Anlagen: Hier wird unter den Modulen gewirtschaftet, die nach Süden ausgerichtet sind.
Module folgen der Sonne
Familie Wilkens entschied sich für ein nachgeführtes Trackingsystem. Durch den Elektroantrieb ist es zwar teurer, produziert aber auch mehr Strom, weil die Sonne immer im optimalen Winkel auf die Module fallen kann. Auch für die Bewirtschaftung sieht Olaf Wilkens Vorteile: „Durch die Drehbarkeit können wir die Module senkrecht stellen, wenn wir zwischen den Reihen mit dem Schlepper unterwegs sind,“ so der Landwirt und ergänzt: „Für die Aufständerung der Module in 2,50 m Höhe werden nur Streifen von jeweils 2 m Ackerland benötigt.“
Für die rund 20 000 m2 Modulfläche haben die Wilkens 9,9 ha Ackerland in Betriebsnähe ausgewählt. Der Abstand zwischen den Modulreihen liegt bei 14 Metern, sodass 12 Meter dazwischen bewirtschaftbar sind.
Ursprünglich hatte Familie Wilkens gehofft, von der neuen Privilegierung von Agri-PV im Außenbereich profitieren zu können. Danach sind Agri-PV unter 25 000 m2 im Außenbereich privilegiert, wenn sie u. a. einen räumlich-funktionalen Zusammenhang mit der Betriebstätte haben. Allerdings ist die Auslegung des Gesetzes noch nicht ausreichend geklärt. (s. Kasten)
Vorteile
Gegenüber der konventionellen Freiflächen-PV genießen Agri-PV bei Steuern, EU-Förderung und Einspeisepreisen einige Vorteile. Grundsätzlich ist Agri-PV dabei auf Ackerland und Grünland möglich. Als Agri-PV gilt eine Anlage vor allem dann, wenn sie die strengen Vorschriften der DIN SPEC 91434 erfüllt. Die Betreiber müssen u.a.
ein landwirtschaftliches Nutzungskonzept vorlegen,
mindestens 85 % bzw. 90 % der Fläche landwirtschaftlich bewirtschaften,
66 % der in der Region üblichen Erträge einfahren.
Welche Vorteile gelten?
EEG: Agri-PV sind nach Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) auf fast allen landwirtschaftlichen Flächen nach dem EEG förderfähig und nicht nur auf den 500-m-Streifen entlang von Autobahnen etc. wie Freiflächen-PV.
Erbschaftssteuer: Die Erbschaftssteuerproblematik der Freiflächen-PV spielt bei Agri-PV keine Rolle: Sie bleiben im land- und forstwirtschaftlichen Vermögen mit Grundsteuer A.
EU-Flächenprämien: Agri-PV-Flächen können auf den Flächen zwischen den Modulständern weiter landwirtschaftliche Direktzahlungen erhalten, z. B. die Grundprämie von 156 €/ha. Hat die Fläche Ackerstatus, bleibt dieser erhalten.
Privilegierung: Baurechtlich sind kleine hofnahe Agri-PV nach § 35 BauGB seit Sommer letzten Jahres privilegiert. Es reicht also ein Bauantrag aus, die Gemeinde muss keinen Bebauungsplan aufstellen. Welche Anlagen genau privilegiert sind, ist allerdings noch unklar.
Ein Beispiel: Im § 35 Abs. 1 S. 1 Nr. 9 BauGB wird die Zahl von 25 000 m2 (2,5 ha) genannt. Während viele Gemeinden dies auf die Projektfläche (also die Bodenfläche) beziehen, argumentieren Rechtsanwälte, dass damit auch die Modulfläche gemeint sein könne. Ebenso auslegungsbedürftig ist die Anforderung, dass die Anlage im „räumlich-funktionalen Zusammenhang“ zum landwirtschaftlichen Betrieb steht.
Was den funktionalen Zusammenhang angeht, ist der Nutzen der Agri-PV für den Betrieb entscheidend. Allein die Tatsache, dass die Solaranlage auf einer auch landwirtschaftlich genutzten Fläche steht, reicht dazu nicht. Da Forschungsergebnisse positive Auswirkungen der Anlagen auf das Pflanzenwachstum zeigen, könnte das ein Einsatzpunkt für den funktionalen Zusammenhang sein, wenn man das Konzept der Agri-PV darauf zuschneidet. Am Ende entscheidend ist die Gesamtbetrachtung für den Einzelfall vor Ort.
Dreh- und Angelpunkt für die Wirtschaftlichkeit ist der Strompreis. Bis zu einer installierten Leistung von bis zu 1 MWp gewährt das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) Agri-PV derzeit eine feste Mindestvergütung in Höhe von 6,93 ct/kWh – der gleiche Satz wie für Freiflächen-PV.
Agri-PV mit Modulen in einer Höhe von mind. 2,1 m erhalten zusätzlich zur gesetzlichen Vergütung von derzeit 6,93 ct/kWh einen festen Satz von 2,5 ct/kWh für besondere Agri-PV. Dieser Satz basiert auf dem Solarpaket 1. Mit ihrer 4,5 MW-Anlage profitieren die Wilkens aber nicht von der Mindestvergütung – sie müssen an der Ausschreibung der Bundesnetzagentur teilnehmen, der Höchstwert liegt hier bei 9,5 ct/kWh.
Rechnet sich die Anlage?
Familie Wilkens geht bei der Wirtschaftlichkeitsrechnung von folgenden Eckdaten aus:
Netzeinspeisepunkt: Rund 100 € kostet jeder Meter Kabelleitung zum Netzanschluss.
Anlagenkosten: Pro kWp kalkulieren die Wilkens mit 750 €, zuzüglich 150 € Nebenkosten. Diese Kosten sind noch mit großen Unsicherheiten behaftet.
Stromertrag: Eine baugleiche Anlage in Bayern kommt verglichen mit einer südausgerichteten Freiflächen-PV bezogen auf die installierte Leistung auf 20 % Mehrertrag. Familie Wilkens geht für ihre Anlage von gut 1 100 kWh/kWp aus.
Für ihre 4,5 MW-Anlage rechnen die Wilkens mit einer Investition von rund 4 Mio. €. Sie wollen die Anlage in Form einer GmbH komplett selbst finanzieren und betreiben, ihre Bank hat bereits grünes Licht gegeben. Neben der Doppelnutzung der landwirtschaftlichen Fläche verfolgen Olaf und Lukian Wilkens noch ein weiteres Ziel: Neben dem Biobetrieb und der eigenen Agri-PV-Anlage sind sie als Projektierer bei der Firma Doppelernte eingestiegen. „Die Anlage sehen wir deshalb auch als Pilotprojekt,“ so Vater und Sohn Wilkens.