Start-up entwickelt Impfmethode für robustere Rhizobien
Das Start-up Instant Seed hat ein Naturmaterial gefunden, das Rhizobien mit Leguminosen-Saatgut verkapseln kann. Dies soll Kosten senken, Erträge stabilisieren und das klassische Impfen ersetzen.
Der Erfolg des Sojaanbaus steht und fällt mit den sogenannten Rhizobien, die der Ackerbauer gemeinsam mit dem Saatgut auf das Feld legt. Damit Landwirte trotz der witterungsempfindlichen Bakterien mit stabilen Erträgen rechnen können, hat das Berliner Start-up Instant Seed eine neue Lösung gefunden: Das sogenannte „Trocken-Coating“. Es hat zusätzlich den Nebeneffekt, dass das herkömmliche Impfen von Leguminosen-Saatgut nicht mehr nötig sein soll.
Die Köpfe hinter dem 2016 gegründeten Start-up sind die Ingenieure Volker Weiss und Adam Krecisz. Im Interview erklärt der 69-jährige Volker Weiss, was sich hinter dem Trocken-Coating verbirgt und wie er die Kosten des gesamten Verfahrens deutlich senken will.
Bisher kaufen Landwirte das Leguminosen-Saatgut und die Rhizobien getrennt, bevor sie diese unmittelbar vor der Aussaat aufbringen. Sie wollen diesen Schritt mit dem sogenannten „Trocken-Coating“ überspringen. Welche Vorteile bietet Ihre Lösung im Vergleich zum klassischen Impfen von Saatgut?
Die Rhizobien sind ein echter Flaschenhals und können die Erntemenge maßgeblich beeinflussen."
Weiss: Rhizobien sind Bakterien und damit lebende Organismen. Das heißt, sie müssen als feuchtes Präparat mit dem Saatgut zusammenkommen und wenige Stunden nach der Aufbringung im Saatbett landen. Das Trocken-Coating ist eine Fix-und-fertig-Lösung, bei der weder Flüssigkeiten noch Trocknung für das Aufbringen der Substanzen notwendig sind. Die Rhizobien bekommen einen Langzeitschutz zum Überleben, was die Aussaat regenunabhängig macht. Der erste Regen aktiviert die Bakterien schließlich. Wir verwenden dafür übrigens nur natürliche Substanzen.
Dadurch, dass die Impfung direkt vor der Aussaat entfällt, kann der Landwirt seine verfügbare Zeit freier planen, und dank überlebender Rhizobien warten stabilere Erträge auf ihn. Denn die sind ein echter Flaschenhals und können die Erntemenge maßgeblich beeinflussen.
Wie sieht die Zusammenarbeit zwischen Landwirten und Instant Seed aus?
Weiss: Der Saatgutaufbereiter bringt das Coating auf, um den Landwirten Arbeit und mögliche Fehlerquellen zu ersparen. Die Landwirte können das fertige Saatgut lange vor der Aussaat direkt vom Aufbereiter beziehen, da das Präparat mehr als drei Monate haltbar sein wird.
Warum impft man Saatgut?
Dafür machen wir einen kurzen ackerbaulichen Exkurs: Hülsenfrüchte wie Soja, Erbse oder Lupine haben die einzigartige Fähigkeit, Stickstoff aus der Luft im Boden zu fixieren. Dies geschieht durch eine Symbiose mit Knöllchenbakterien (Rhizobien) an den Wurzeln der Pflanzen. Sie nehmen den Nährstoff auf und wandeln ihn in eine Form um, die Pflanzen für sich nutzen können.
Damit die Pflanzen den Luftstickstoff binden können, ist es bei exotischeren Leguminosenarten wie Soja oder Lupinen wichtig, dass Landwirte ihr Saatgut vorher mit den Rhizobien impfen. Diese Behandlung sorgt dafür, dass genügend Bakterien vorhanden sind, um eine effektive Stickstoffversorgung zu gewährleisten und so die Erträge zu optimieren. Der Schritt erfolgt kurz vor der Aussaat und bedeutet für den Landwirt vor allem eines: zusätzlichen Aufwand.
Pflanzenwachs schützt die Knöllchenbakterien
Können Sie die technischen Aspekte Ihres Coating-Verfahrens näher erläutern?
Weiss: Vor mehreren Jahren hatten wir eine Rhizobien-Coating-Entwicklung, mit der wir nicht zufrieden waren: die Hülle war dick und zu viele Rhizobien starben beim Aufbringen - und die sind das Teuerste an der ganzen Sache!
2021 stießen wir mehr zufällig auf eine völlig andere Lösung : Wir bringen die nassen oder feuchten Rhizobien auf das Soja-Korn. Anschließend überziehen wir diese mit speziell aufbereiteten Pflanzenwachsen, die die Rhizobien umschließen und schützen. Diese sehr dünne Verkapselung öffnet sich erst bei Kontakt mit Bodenfeuchtigkeit. Es ist ein einfacher, unkritischer, aufwandsarmer und beinahe wetterunabhängiger Prozess. Durch den Rhizobienschutz können wir die Kosten des Verfahrens gegenüber dem Markt-Standard drastisch senken.
Wo liegt der Unterschied zu den bisher geläufigen, dickeren Coatings?
Weiss: Der Vorteil der dünnen Lösung liegt in der Transport- und Lagerlogistik, der einfachen praktischen Umsetzung an der Maschine. Unsere Lösung erhöht das Gewicht nur um 3 %, das liegt im Rahmen der Toleranzabweichung eines Korns und ist für die Maschinen unerheblich. Der Landwirt muss nichts verstellen. Und natürlich der wichtigste Punkt: Die viel höhere Überlebensrate der Rhizobien.
Für welche Kulturpflanzen ist das Verfahren noch geeignet?
Weiss: Das Verfahren kann alle Samen coaten. Soja, Edamame und andere Körnerleguminosen sind naheliegend. Auch bei Reis, Sorghum oder Mais können zusätzliche trocken aufgebrachte Schichten zum Schutz oder für die Nährstoffversorgung von Vorteil sein. Auch Nutzpilze können trocken aufgebracht werden.
Wie wirkt sich das Coating auf das Pflanzenwachstum aus?
Weiss: Von Mai bis Dezember 2022 testete das Landwirtschaftliche Technologiezentrum (LTZ) verschiedene Rhizobien-Präparate . Dabei untersuchte das Baden-Württemberger Institut unsere Lösung im Vergleich zu herkömmlich geimpftem Saatgut. Die verwendeten Rhizobien-Präparate waren dieselben (Rhizofix als Nass-Rhizobien und HiStick als Trocken-Rhizobien). Das Instant Seed-Coating wurde bereits Wochen vorher auf das Saatgut gebracht, während die klassische Impfung direkt vor der Aussaat erfolgte. Die Forschung offenbarte, dass sowohl die Erträge als auch der Proteingehalt auf demselben Niveau liegen. Das Wochen vorher aufgebrachte Coating konnte die am Aussaattag aufgebrachten Impfungen teilweise sogar übertreffen. Eine bessere Referenz hätten wir uns nicht wünschen können.
Wann können Landwirte mit der Verfügbarkeit Ihres Coating-Verfahrens rechnen?
Weiss: Wir wissen, dass unsere Lösung funktioniert. Lediglich die großtechnische Umsetzung fehlt. Dafür stehen wir jetzt in engem Austausch mit Firmen und hoffen, bis zum Herbst erste feste Partner zu haben.
Was wünschen Sie sich für Ihr Unternehmen?
Weiss: Soja macht etwa 9 % der Weltackerfläche aus. Schätzungsweise 15 Mio. t Saatgut müssen jährlich geimpft bzw. gecoatet werden, um schließlich auf dem Acker zu landen. Wir werden nie in der Lage sein, das Weltmarktpotential auch nur annähernd selbst zu erschließen. Dies geht nur mit Partnern, die die bisherige Technologie nutzen und neuen Lösungen gegenüber aufgeschlossen sind. Wenn wir solche Partner finden, dann wird den Landwirten der Zugang zum Nutzen dieser Lösung bald möglich sein.
Vielen Dank für das Gespräch!
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Der Erfolg des Sojaanbaus steht und fällt mit den sogenannten Rhizobien, die der Ackerbauer gemeinsam mit dem Saatgut auf das Feld legt. Damit Landwirte trotz der witterungsempfindlichen Bakterien mit stabilen Erträgen rechnen können, hat das Berliner Start-up Instant Seed eine neue Lösung gefunden: Das sogenannte „Trocken-Coating“. Es hat zusätzlich den Nebeneffekt, dass das herkömmliche Impfen von Leguminosen-Saatgut nicht mehr nötig sein soll.
Die Köpfe hinter dem 2016 gegründeten Start-up sind die Ingenieure Volker Weiss und Adam Krecisz. Im Interview erklärt der 69-jährige Volker Weiss, was sich hinter dem Trocken-Coating verbirgt und wie er die Kosten des gesamten Verfahrens deutlich senken will.
Bisher kaufen Landwirte das Leguminosen-Saatgut und die Rhizobien getrennt, bevor sie diese unmittelbar vor der Aussaat aufbringen. Sie wollen diesen Schritt mit dem sogenannten „Trocken-Coating“ überspringen. Welche Vorteile bietet Ihre Lösung im Vergleich zum klassischen Impfen von Saatgut?
Die Rhizobien sind ein echter Flaschenhals und können die Erntemenge maßgeblich beeinflussen."
Weiss: Rhizobien sind Bakterien und damit lebende Organismen. Das heißt, sie müssen als feuchtes Präparat mit dem Saatgut zusammenkommen und wenige Stunden nach der Aufbringung im Saatbett landen. Das Trocken-Coating ist eine Fix-und-fertig-Lösung, bei der weder Flüssigkeiten noch Trocknung für das Aufbringen der Substanzen notwendig sind. Die Rhizobien bekommen einen Langzeitschutz zum Überleben, was die Aussaat regenunabhängig macht. Der erste Regen aktiviert die Bakterien schließlich. Wir verwenden dafür übrigens nur natürliche Substanzen.
Dadurch, dass die Impfung direkt vor der Aussaat entfällt, kann der Landwirt seine verfügbare Zeit freier planen, und dank überlebender Rhizobien warten stabilere Erträge auf ihn. Denn die sind ein echter Flaschenhals und können die Erntemenge maßgeblich beeinflussen.
Wie sieht die Zusammenarbeit zwischen Landwirten und Instant Seed aus?
Weiss: Der Saatgutaufbereiter bringt das Coating auf, um den Landwirten Arbeit und mögliche Fehlerquellen zu ersparen. Die Landwirte können das fertige Saatgut lange vor der Aussaat direkt vom Aufbereiter beziehen, da das Präparat mehr als drei Monate haltbar sein wird.
Warum impft man Saatgut?
Dafür machen wir einen kurzen ackerbaulichen Exkurs: Hülsenfrüchte wie Soja, Erbse oder Lupine haben die einzigartige Fähigkeit, Stickstoff aus der Luft im Boden zu fixieren. Dies geschieht durch eine Symbiose mit Knöllchenbakterien (Rhizobien) an den Wurzeln der Pflanzen. Sie nehmen den Nährstoff auf und wandeln ihn in eine Form um, die Pflanzen für sich nutzen können.
Damit die Pflanzen den Luftstickstoff binden können, ist es bei exotischeren Leguminosenarten wie Soja oder Lupinen wichtig, dass Landwirte ihr Saatgut vorher mit den Rhizobien impfen. Diese Behandlung sorgt dafür, dass genügend Bakterien vorhanden sind, um eine effektive Stickstoffversorgung zu gewährleisten und so die Erträge zu optimieren. Der Schritt erfolgt kurz vor der Aussaat und bedeutet für den Landwirt vor allem eines: zusätzlichen Aufwand.
Pflanzenwachs schützt die Knöllchenbakterien
Können Sie die technischen Aspekte Ihres Coating-Verfahrens näher erläutern?
Weiss: Vor mehreren Jahren hatten wir eine Rhizobien-Coating-Entwicklung, mit der wir nicht zufrieden waren: die Hülle war dick und zu viele Rhizobien starben beim Aufbringen - und die sind das Teuerste an der ganzen Sache!
2021 stießen wir mehr zufällig auf eine völlig andere Lösung : Wir bringen die nassen oder feuchten Rhizobien auf das Soja-Korn. Anschließend überziehen wir diese mit speziell aufbereiteten Pflanzenwachsen, die die Rhizobien umschließen und schützen. Diese sehr dünne Verkapselung öffnet sich erst bei Kontakt mit Bodenfeuchtigkeit. Es ist ein einfacher, unkritischer, aufwandsarmer und beinahe wetterunabhängiger Prozess. Durch den Rhizobienschutz können wir die Kosten des Verfahrens gegenüber dem Markt-Standard drastisch senken.
Wo liegt der Unterschied zu den bisher geläufigen, dickeren Coatings?
Weiss: Der Vorteil der dünnen Lösung liegt in der Transport- und Lagerlogistik, der einfachen praktischen Umsetzung an der Maschine. Unsere Lösung erhöht das Gewicht nur um 3 %, das liegt im Rahmen der Toleranzabweichung eines Korns und ist für die Maschinen unerheblich. Der Landwirt muss nichts verstellen. Und natürlich der wichtigste Punkt: Die viel höhere Überlebensrate der Rhizobien.
Für welche Kulturpflanzen ist das Verfahren noch geeignet?
Weiss: Das Verfahren kann alle Samen coaten. Soja, Edamame und andere Körnerleguminosen sind naheliegend. Auch bei Reis, Sorghum oder Mais können zusätzliche trocken aufgebrachte Schichten zum Schutz oder für die Nährstoffversorgung von Vorteil sein. Auch Nutzpilze können trocken aufgebracht werden.
Wie wirkt sich das Coating auf das Pflanzenwachstum aus?
Weiss: Von Mai bis Dezember 2022 testete das Landwirtschaftliche Technologiezentrum (LTZ) verschiedene Rhizobien-Präparate . Dabei untersuchte das Baden-Württemberger Institut unsere Lösung im Vergleich zu herkömmlich geimpftem Saatgut. Die verwendeten Rhizobien-Präparate waren dieselben (Rhizofix als Nass-Rhizobien und HiStick als Trocken-Rhizobien). Das Instant Seed-Coating wurde bereits Wochen vorher auf das Saatgut gebracht, während die klassische Impfung direkt vor der Aussaat erfolgte. Die Forschung offenbarte, dass sowohl die Erträge als auch der Proteingehalt auf demselben Niveau liegen. Das Wochen vorher aufgebrachte Coating konnte die am Aussaattag aufgebrachten Impfungen teilweise sogar übertreffen. Eine bessere Referenz hätten wir uns nicht wünschen können.
Wann können Landwirte mit der Verfügbarkeit Ihres Coating-Verfahrens rechnen?
Weiss: Wir wissen, dass unsere Lösung funktioniert. Lediglich die großtechnische Umsetzung fehlt. Dafür stehen wir jetzt in engem Austausch mit Firmen und hoffen, bis zum Herbst erste feste Partner zu haben.
Was wünschen Sie sich für Ihr Unternehmen?
Weiss: Soja macht etwa 9 % der Weltackerfläche aus. Schätzungsweise 15 Mio. t Saatgut müssen jährlich geimpft bzw. gecoatet werden, um schließlich auf dem Acker zu landen. Wir werden nie in der Lage sein, das Weltmarktpotential auch nur annähernd selbst zu erschließen. Dies geht nur mit Partnern, die die bisherige Technologie nutzen und neuen Lösungen gegenüber aufgeschlossen sind. Wenn wir solche Partner finden, dann wird den Landwirten der Zugang zum Nutzen dieser Lösung bald möglich sein.