Solarpaket: Luftnummer für kleine Gülle-Biogasanlagen
Nach Analyse der EEG-Änderungen für Gülleanlagen gibt es neue Hürden. Vermeintliche Verbesserungen sind im Detail kaum umzusetzen, erklärt Rechtsanwalt Dr. Helmut Loibl im top agrar-Interview.
Mit dem Solarpaket I hat es nicht nur Verbesserungen für die Photovoltaik gegeben, sondern auch für Biogasanlagen. So hat der Gesetzgeber bei der Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) beschlossen, dass bestehende Güllekleinanlagen zukünftig ihre Leistung erhöhen dürfen, sofern sie für den zusätzlichen Strom keine EEG-Vergütung in Anspruch nehmen. Diese Forderung stand länger im Raum, weil viele Betriebe (fast ausschließlich Milchviehhalter) mit ihrer Gülle mehr Gas erzielen könnten als die gesetzliche Vorgabe von 75 kW vorsieht. Doch ein genauer Blick ins Gesetz offenbart einige Klippen, sagt Dr. Helmut Loibl von der Kanzlei Paluka aus Regensburg.
Viele Betreiber von kleinen Güllebiogasanlagen haben die Verabschiedung des Solarpaketes begrüßt, weil sie die Möglichkeit erhalten, mehr Strom zu erzeugen. Sie haben aber erhebliche Zweifel an der Regelung. Warum?
Loibl: Zwar kann jetzt eine Güllekleinanlage, die bisher auf 75 kW installierte Leistung beschränkt war, nunmehr auf 150 kW erhöhen, die EEG-Vergütung ist aber der Höhe nach auf den Durchschnitt der eingespeisten Leistung der letzten 3 Kalenderjahre vor der Umstellung beschränkt. Wer also etwa jetzt in 2024 hinzubaut, für den zählen die Kalenderjahre 2023, 2022 und 2021. Hat die Anlage dort im Schnitt z.B. 73 kW produziert, davon allerdings 15 kW Eigenverbrauch gehabt, führt die Inanspruchnahme der Neuregelung in § 100 Abs. 38 dazu, dass die Anlage künftig nur noch für 58 kW eine EEG-Vergütung erhält.
Damit ist für den Betreiber nichts gewonnen: Da er schon bisher seinen Eigenstrom mit 15 kW verbraucht hat, läuft die Leistungserhöhung auf bis zu 150 kW ins Leere. Denn dafür bekommt er keine EEG-Vergütung. Zwar kann der Betreiber, der in der Direktvermarktung ist, eventuell höhere Erlöse am Strommarkt generieren. Allerdings lässt sich in Hinblick auf den aktuellen Strombörsenpreis hier kaum das Invest refinanzieren. Selbst eine flexible Fahrweise zu guten Viertelstundenwerten wird das kaum ausgleichen können.
Wie konnte es passieren, dass der Gesetzgeber so eine befremdliche Regelung erlässt?
Loibl: Hintergrund ist wohl die politische Vorgabe, dass die Gesetzesänderung ‚kostenneutral‘ sein muss, es also im Ergebnis zu keiner Erhöhung der mit dem EEG verbundenen Kosten kommen darf.
Was können Betreiber jetzt tun?
Loibl: Sie können kritisch prüfen, ob es sich gegebenenfalls lohnt, ab sofort auf Volleinspeisung umzustellen und erst in ein, zwei oder drei Jahren zu wechseln, wenn der Durchschnitt der letzten drei Kalenderjahre höher liegt. Eine kurzfristige Lösung gibt es hier ansonsten leider nicht.
Juristisch stellt sich zudem ein weiteres, in Einzelfällen noch viel dramatischeres Problem: Der Gesetzgeber stellt ausdrücklich klar, dass diese Anlagen, die dann auf über 100 kW erhöhen, nicht zwingend in die Direktvermarktung wechseln müssen. Nicht geregelt ist jedoch die Problematik des „doppelten Überbaus“.
Welche Folgen hätte das?
Loibl: Das kann dramatisch für Anlagen nach dem EEG 2014 sein: Diese erhalten ab einer installierten Leistung von 100 kW nur noch für 50 % ihrer installierten Leistung eine EEG-Vergütung. Wer z.B. von 75 auf 150 kW erhöht, hat hier noch kein Problem. Denn mehr als 75 kW konnten sie ohnehin nie produzieren, sodass der 3-Jahres-Durchschnitt die Schranke darstellt. Wenn aber beispielsweise eine Güllekleinanlagen nach dem EEG 2014 mit bisher 75 kW als Volleinspeiseanlage laut 3-Jahres-Schnitt eigentlich künftig 73 kW produziere dürfte, aber nicht auf 150 kW, sondern nur auf 120 kW erweitert, schlägt die Regelung zum doppelten Überbau voll zu: Diese Anlage erhält dann nur noch 50 % der installierten 120 kW = 60 kW eine EEG-Vergütung! Nur für Güllekleinanlagen nach dem EEG 2012 (= Inbetriebnahme von 01.01.2012 bis 31.07.2014) ist das unproblematisch, das damalige EEG sah noch keine solche Pflicht zum doppelten Überbau ab 100 kW Leistung vor. Das zeigt sehr deutlich: der Teufel steckt mal wieder im Detail, zumal weitere Kosten anfallen können.
Welche sind das?
Loibl: Der Zubau von bis zu 75 kW Leistung erfordert in der Regel auch einen neuen Netzanschluss mit entsprechenden Folgekosten, da sich seit Inbetriebnahme der betroffenen 75-kW-Güllekleinanlagen die Netzanschlussvoraussetzungen geändert haben und hier – neben dem Invest in ein größeres BHKW – im Einzelfall durchaus erhebliche Kosten auch für einen neuen Netzanschluss (bzw. Übergabeschutzstation etc.) anfallen können.
Würden Sie denn Kleinanlagenbetreibern grundsätzlich von der Erweiterung abraten?
Loibl: Keinesfalls sollten Anlagenbetreiber jetzt unüberlegt oder ohne entsprechende Beratung tätig werden, nicht jede Investition wird sich hier auch auszahlen. Es gäbe auch noch eine andere Lösung für ältere Güllekleinanlagen, die nichts mit dem Solarpaket zu tun hat, aber etwas „befremdlich“ wirkt: Einige der jetzt betroffenen Anlagen sind bereits über oder um die zehn Jahre alt, haben also nur noch eine beschränkte Restlaufzeit nach EEG. Viele wären durchaus bereit, Geld zu investieren, weil z.B. das BHKW ohnehin überholt werden muss o.ä. Sofern die Investitionskosten so hoch ist wie die Kosten einer kompletten Güllekleinanlage, kann man versuchen, beim Netzbetreiber den Status einer „Neuanlage“ zu erhalten. Wir erstellen hierzu in der Regel ein Rechtsgutachten anhand von Kostenvoranschlägen und klären das dann im Vorfeld mit dem Netzbetreiber ab.
Was muss man beachten, um den Neuanlagenstatus erhalten zu können?
Loibl: Hierzu muss der Betreiber mindestens ein neues BHKW (meist 150 kW, das ja ohnehin nötig ist), aber auch einen neuen Behälter bauen. Meist muss er auch einen der vorhandenen Behälter abreißen, zumindest aber aus der Biogasverwertung herausnehmen und z.B. landwirtschaftlich nutzen. Sonst wäre es keine Neuanlage, sondern nur eine Erweiterung. Zum Teil sind – um das nötige Invest zu erreichen – auch weitere Ausgaben wie z.B. eine neue Einbringtechnik nötig.
Welche Vorteile hätte das?
Loibl: Das sind mehrere: Der Betreiber würde wieder 20 Jahre Vergütung erhalten. Er könnte zudem nach dem EEG 2023 die 150 kW produzieren. Zudem kann er 10% der Gülle mit überjährigem Kleegras ersetzen. Es mag sich für die Betreiber sehr komisch anhören, letztlich eine erst zehn oder zwölf Jahre alte (oder gar jüngere) Güllekleinanlage auf diese Weise umzubauen, aber die Vorteile überwiegen hier in den meisten Fällen.
Hinweis:
Bitte aktivieren Sie Javascipt in Ihrem Browser, um diese Seite optimal nutzen zu können
Zum Lesen dieses Artikels benötigen Sie ein top agrar Abonnement
Mit dem Solarpaket I hat es nicht nur Verbesserungen für die Photovoltaik gegeben, sondern auch für Biogasanlagen. So hat der Gesetzgeber bei der Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) beschlossen, dass bestehende Güllekleinanlagen zukünftig ihre Leistung erhöhen dürfen, sofern sie für den zusätzlichen Strom keine EEG-Vergütung in Anspruch nehmen. Diese Forderung stand länger im Raum, weil viele Betriebe (fast ausschließlich Milchviehhalter) mit ihrer Gülle mehr Gas erzielen könnten als die gesetzliche Vorgabe von 75 kW vorsieht. Doch ein genauer Blick ins Gesetz offenbart einige Klippen, sagt Dr. Helmut Loibl von der Kanzlei Paluka aus Regensburg.
Viele Betreiber von kleinen Güllebiogasanlagen haben die Verabschiedung des Solarpaketes begrüßt, weil sie die Möglichkeit erhalten, mehr Strom zu erzeugen. Sie haben aber erhebliche Zweifel an der Regelung. Warum?
Loibl: Zwar kann jetzt eine Güllekleinanlage, die bisher auf 75 kW installierte Leistung beschränkt war, nunmehr auf 150 kW erhöhen, die EEG-Vergütung ist aber der Höhe nach auf den Durchschnitt der eingespeisten Leistung der letzten 3 Kalenderjahre vor der Umstellung beschränkt. Wer also etwa jetzt in 2024 hinzubaut, für den zählen die Kalenderjahre 2023, 2022 und 2021. Hat die Anlage dort im Schnitt z.B. 73 kW produziert, davon allerdings 15 kW Eigenverbrauch gehabt, führt die Inanspruchnahme der Neuregelung in § 100 Abs. 38 dazu, dass die Anlage künftig nur noch für 58 kW eine EEG-Vergütung erhält.
Damit ist für den Betreiber nichts gewonnen: Da er schon bisher seinen Eigenstrom mit 15 kW verbraucht hat, läuft die Leistungserhöhung auf bis zu 150 kW ins Leere. Denn dafür bekommt er keine EEG-Vergütung. Zwar kann der Betreiber, der in der Direktvermarktung ist, eventuell höhere Erlöse am Strommarkt generieren. Allerdings lässt sich in Hinblick auf den aktuellen Strombörsenpreis hier kaum das Invest refinanzieren. Selbst eine flexible Fahrweise zu guten Viertelstundenwerten wird das kaum ausgleichen können.
Wie konnte es passieren, dass der Gesetzgeber so eine befremdliche Regelung erlässt?
Loibl: Hintergrund ist wohl die politische Vorgabe, dass die Gesetzesänderung ‚kostenneutral‘ sein muss, es also im Ergebnis zu keiner Erhöhung der mit dem EEG verbundenen Kosten kommen darf.
Was können Betreiber jetzt tun?
Loibl: Sie können kritisch prüfen, ob es sich gegebenenfalls lohnt, ab sofort auf Volleinspeisung umzustellen und erst in ein, zwei oder drei Jahren zu wechseln, wenn der Durchschnitt der letzten drei Kalenderjahre höher liegt. Eine kurzfristige Lösung gibt es hier ansonsten leider nicht.
Juristisch stellt sich zudem ein weiteres, in Einzelfällen noch viel dramatischeres Problem: Der Gesetzgeber stellt ausdrücklich klar, dass diese Anlagen, die dann auf über 100 kW erhöhen, nicht zwingend in die Direktvermarktung wechseln müssen. Nicht geregelt ist jedoch die Problematik des „doppelten Überbaus“.
Welche Folgen hätte das?
Loibl: Das kann dramatisch für Anlagen nach dem EEG 2014 sein: Diese erhalten ab einer installierten Leistung von 100 kW nur noch für 50 % ihrer installierten Leistung eine EEG-Vergütung. Wer z.B. von 75 auf 150 kW erhöht, hat hier noch kein Problem. Denn mehr als 75 kW konnten sie ohnehin nie produzieren, sodass der 3-Jahres-Durchschnitt die Schranke darstellt. Wenn aber beispielsweise eine Güllekleinanlagen nach dem EEG 2014 mit bisher 75 kW als Volleinspeiseanlage laut 3-Jahres-Schnitt eigentlich künftig 73 kW produziere dürfte, aber nicht auf 150 kW, sondern nur auf 120 kW erweitert, schlägt die Regelung zum doppelten Überbau voll zu: Diese Anlage erhält dann nur noch 50 % der installierten 120 kW = 60 kW eine EEG-Vergütung! Nur für Güllekleinanlagen nach dem EEG 2012 (= Inbetriebnahme von 01.01.2012 bis 31.07.2014) ist das unproblematisch, das damalige EEG sah noch keine solche Pflicht zum doppelten Überbau ab 100 kW Leistung vor. Das zeigt sehr deutlich: der Teufel steckt mal wieder im Detail, zumal weitere Kosten anfallen können.
Welche sind das?
Loibl: Der Zubau von bis zu 75 kW Leistung erfordert in der Regel auch einen neuen Netzanschluss mit entsprechenden Folgekosten, da sich seit Inbetriebnahme der betroffenen 75-kW-Güllekleinanlagen die Netzanschlussvoraussetzungen geändert haben und hier – neben dem Invest in ein größeres BHKW – im Einzelfall durchaus erhebliche Kosten auch für einen neuen Netzanschluss (bzw. Übergabeschutzstation etc.) anfallen können.
Würden Sie denn Kleinanlagenbetreibern grundsätzlich von der Erweiterung abraten?
Loibl: Keinesfalls sollten Anlagenbetreiber jetzt unüberlegt oder ohne entsprechende Beratung tätig werden, nicht jede Investition wird sich hier auch auszahlen. Es gäbe auch noch eine andere Lösung für ältere Güllekleinanlagen, die nichts mit dem Solarpaket zu tun hat, aber etwas „befremdlich“ wirkt: Einige der jetzt betroffenen Anlagen sind bereits über oder um die zehn Jahre alt, haben also nur noch eine beschränkte Restlaufzeit nach EEG. Viele wären durchaus bereit, Geld zu investieren, weil z.B. das BHKW ohnehin überholt werden muss o.ä. Sofern die Investitionskosten so hoch ist wie die Kosten einer kompletten Güllekleinanlage, kann man versuchen, beim Netzbetreiber den Status einer „Neuanlage“ zu erhalten. Wir erstellen hierzu in der Regel ein Rechtsgutachten anhand von Kostenvoranschlägen und klären das dann im Vorfeld mit dem Netzbetreiber ab.
Was muss man beachten, um den Neuanlagenstatus erhalten zu können?
Loibl: Hierzu muss der Betreiber mindestens ein neues BHKW (meist 150 kW, das ja ohnehin nötig ist), aber auch einen neuen Behälter bauen. Meist muss er auch einen der vorhandenen Behälter abreißen, zumindest aber aus der Biogasverwertung herausnehmen und z.B. landwirtschaftlich nutzen. Sonst wäre es keine Neuanlage, sondern nur eine Erweiterung. Zum Teil sind – um das nötige Invest zu erreichen – auch weitere Ausgaben wie z.B. eine neue Einbringtechnik nötig.
Welche Vorteile hätte das?
Loibl: Das sind mehrere: Der Betreiber würde wieder 20 Jahre Vergütung erhalten. Er könnte zudem nach dem EEG 2023 die 150 kW produzieren. Zudem kann er 10% der Gülle mit überjährigem Kleegras ersetzen. Es mag sich für die Betreiber sehr komisch anhören, letztlich eine erst zehn oder zwölf Jahre alte (oder gar jüngere) Güllekleinanlage auf diese Weise umzubauen, aber die Vorteile überwiegen hier in den meisten Fällen.