Staatlicher Eingriff in Milchlieferbeziehungen bleibt umstritten
Im Bundestag fand eine Expertenbefragung statt zur Umsetzbarkeit des Artikel 148. Die Meinungen lagen weit auseinander. Das BMEL plant einen Verordnungsentwurf.
Kritiker bezweifeln eine positive Wirkung auf den Milchpreis und warnen vor Bürokratie und Risikoabschlägen durch die Molkereien. Befürworter sehen die Rolle der Erzeuger gestärkt und eine Chance für kostendeckende Milchpreise. Kurz gefasst sind dies die gegensätzlichen Meinungen zum seit Jahren diskutierten Artikel 148 der Gemeinsamen Marktordnung (GMO). Dieser beschreibt die Umsetzung von staatlich vorgeschriebenen Milchlieferverträgen zwischen Erzeugern und Molkereien.
Im Ernährungsausschuss des Bundestag fand jetzt eine Expertenbefragung dazu statt. Denn das Bundeslandwirtschaftsministerium will dazu noch im ersten Quartal einen Verordnungsentwurf vorlegen. Ziel ist die Stellung der Erzeuger im Milchmarkt zu verbessern.
Strikt gegen eine solche Regelung ist der Vorstandsvorsitzende der genossenschaftlichen Hochwald Milch, Hans Peter Manderfeld. Dies würde „einen massiven Eingriff in die genossenschaftliche Satzungsautomie“ bedeuten. „Der Staat soll sich raushalten“, forderte Manderfeld. Der Milchpreis müsse letztlich am Produktmarkt realisiert werden, der stark von Entwicklungen am Weltmarkt und dem Lebensmitteleinzelhandel bestimmt werde. Eine Festpreislösung sei daher „Wunschdenken“, und die Umsetzung des Artikels 148 bringe „mehr Leid als Freud“.
Skeptisch zu staatlich verordneten Lieferverträgen äußerte sich auch die Referatsleiterin Milch beim Deutschen Bauernverband (DBV), Leonie Langeneck. Es entstehe unnötiger bürokratischer Aufwand und: „Der Artikel 148 kann die Volatilitäten am Milchmarkt nicht aushebeln“, betonte Langeneck. Um die Milchpreisschwankungen abzufedern, müssten das einzelbetriebliche Risikomanagement und eine steuerliche Gewinnverteilung über Wirtschaftsjahre für Krisenzeiten gefördert werden. Zudem sollte das europäische Sicherheitsnetz mit privater Lagerhaltung erhalten bleiben. Eine zentrale Milchmengensteuerung durch die Politik lehnt der DBV ab.
Was empfiehlt die Wissenschaft?
Agrarökonom Prof. Holger Thiele von der Fachhochschule Kiel erklärte: „Aus wissenschaftlicher Sicht funktioniert der Milchmarkt, wie der Einfluss des Weltmarkts zeigt. Mit einem Festpreis ist jedoch für die Erzeuger noch nichts gewonnen.“ Vielmehr steige dadurch das Risiko für die Molkereien und es werde wahrscheinlich zu einen Preisabschlag kommen.
Der Geschäftsführer der Unternehmensberatung Lademann & Associates, Niels Frank, stellte fest, dass es am Rohmilchmarkt „eine atypische Preisbildung gibt“. Die Erzeuger lieferten ihre Milch ab, ohne zu wissen, was sie dafür bekommen. Mit Artikel 148 und verbindlichen Verträgen ließe sich das ändern. Aber auch Niels Frank wies darauf hin, dass sich dadurch das wirtschaftliche Risiko vom Erzeuger zur Molkerei verlagere und diese dann weniger Rohmilch abnehmen werde, um das Risiko zu verringern.
Was sagen Milcherzeugergemeinschaften?
Für den Rechtsanwalt und Geschäftsführer der Milcherzeugergemeinschaft Milch Board, Phillipp Groteloh, ist „die Andienungsplicht von Milch eine Wettbewerbsbeschränkung“. Er wies auf die Marktbedeutung der Genossenschaften hin, die rund zwei Drittel der Milchmenge erfassten. Deshalb müssten auch sie beim Artikel 148 einbezogen werden.
Dies sei rechtlich möglich, da die Genossenschaften laut Satzungsregelungen keine entsprechenden vertraglichen Regelungen über feste Liefermengen und dazugehörigen Preisen hätten. Der Artikel 148 „baut Wettbewerbshemmnisse ab“ und nimmt das alleinige Risiko von den Schultern der Erzeuger, unterstrich Groteloh.
Wie machen es andere Länder?
Stark befürwortet wird die Vertragspflicht bei Milchlieferbeziehungen einschließlich der Genossenschaften auch von der Teamleiterin Landwirtschaft der Deutschen Umwelthilfe (DUH), Reinhild Benning. Sie verwies auf das aus ihrer Sicht positive Beispiel Spanien, wo 2023 eine solche Regelung eingeführt worden sei, um kostendeckende Erzeugerpreise zu ermöglichen.
Die Milchpreise seien in Spanien über den EU-Durchschnitt gestiegen, hob Benning hervor. Zudem gebe es in Frankreich Dreierverträge zwischen Erzeugern, Molkereien und dem Einzelhandel. Dabei zahle beispielsweise Lidl rund 5.000 Milcherzeugern „faire Preise“ und werbe mit seinem nachhaltigen Ansatz, was bei den Verbrauchern gut ankomme. Trotz der höheren Erzeugerpreise ist es laut Benning nicht zu einer höheren Milchproduktion gekommen, da die Menge vertraglich festgelegt worden sei.
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Kritiker bezweifeln eine positive Wirkung auf den Milchpreis und warnen vor Bürokratie und Risikoabschlägen durch die Molkereien. Befürworter sehen die Rolle der Erzeuger gestärkt und eine Chance für kostendeckende Milchpreise. Kurz gefasst sind dies die gegensätzlichen Meinungen zum seit Jahren diskutierten Artikel 148 der Gemeinsamen Marktordnung (GMO). Dieser beschreibt die Umsetzung von staatlich vorgeschriebenen Milchlieferverträgen zwischen Erzeugern und Molkereien.
Im Ernährungsausschuss des Bundestag fand jetzt eine Expertenbefragung dazu statt. Denn das Bundeslandwirtschaftsministerium will dazu noch im ersten Quartal einen Verordnungsentwurf vorlegen. Ziel ist die Stellung der Erzeuger im Milchmarkt zu verbessern.
Strikt gegen eine solche Regelung ist der Vorstandsvorsitzende der genossenschaftlichen Hochwald Milch, Hans Peter Manderfeld. Dies würde „einen massiven Eingriff in die genossenschaftliche Satzungsautomie“ bedeuten. „Der Staat soll sich raushalten“, forderte Manderfeld. Der Milchpreis müsse letztlich am Produktmarkt realisiert werden, der stark von Entwicklungen am Weltmarkt und dem Lebensmitteleinzelhandel bestimmt werde. Eine Festpreislösung sei daher „Wunschdenken“, und die Umsetzung des Artikels 148 bringe „mehr Leid als Freud“.
Skeptisch zu staatlich verordneten Lieferverträgen äußerte sich auch die Referatsleiterin Milch beim Deutschen Bauernverband (DBV), Leonie Langeneck. Es entstehe unnötiger bürokratischer Aufwand und: „Der Artikel 148 kann die Volatilitäten am Milchmarkt nicht aushebeln“, betonte Langeneck. Um die Milchpreisschwankungen abzufedern, müssten das einzelbetriebliche Risikomanagement und eine steuerliche Gewinnverteilung über Wirtschaftsjahre für Krisenzeiten gefördert werden. Zudem sollte das europäische Sicherheitsnetz mit privater Lagerhaltung erhalten bleiben. Eine zentrale Milchmengensteuerung durch die Politik lehnt der DBV ab.
Was empfiehlt die Wissenschaft?
Agrarökonom Prof. Holger Thiele von der Fachhochschule Kiel erklärte: „Aus wissenschaftlicher Sicht funktioniert der Milchmarkt, wie der Einfluss des Weltmarkts zeigt. Mit einem Festpreis ist jedoch für die Erzeuger noch nichts gewonnen.“ Vielmehr steige dadurch das Risiko für die Molkereien und es werde wahrscheinlich zu einen Preisabschlag kommen.
Der Geschäftsführer der Unternehmensberatung Lademann & Associates, Niels Frank, stellte fest, dass es am Rohmilchmarkt „eine atypische Preisbildung gibt“. Die Erzeuger lieferten ihre Milch ab, ohne zu wissen, was sie dafür bekommen. Mit Artikel 148 und verbindlichen Verträgen ließe sich das ändern. Aber auch Niels Frank wies darauf hin, dass sich dadurch das wirtschaftliche Risiko vom Erzeuger zur Molkerei verlagere und diese dann weniger Rohmilch abnehmen werde, um das Risiko zu verringern.
Was sagen Milcherzeugergemeinschaften?
Für den Rechtsanwalt und Geschäftsführer der Milcherzeugergemeinschaft Milch Board, Phillipp Groteloh, ist „die Andienungsplicht von Milch eine Wettbewerbsbeschränkung“. Er wies auf die Marktbedeutung der Genossenschaften hin, die rund zwei Drittel der Milchmenge erfassten. Deshalb müssten auch sie beim Artikel 148 einbezogen werden.
Dies sei rechtlich möglich, da die Genossenschaften laut Satzungsregelungen keine entsprechenden vertraglichen Regelungen über feste Liefermengen und dazugehörigen Preisen hätten. Der Artikel 148 „baut Wettbewerbshemmnisse ab“ und nimmt das alleinige Risiko von den Schultern der Erzeuger, unterstrich Groteloh.
Wie machen es andere Länder?
Stark befürwortet wird die Vertragspflicht bei Milchlieferbeziehungen einschließlich der Genossenschaften auch von der Teamleiterin Landwirtschaft der Deutschen Umwelthilfe (DUH), Reinhild Benning. Sie verwies auf das aus ihrer Sicht positive Beispiel Spanien, wo 2023 eine solche Regelung eingeführt worden sei, um kostendeckende Erzeugerpreise zu ermöglichen.
Die Milchpreise seien in Spanien über den EU-Durchschnitt gestiegen, hob Benning hervor. Zudem gebe es in Frankreich Dreierverträge zwischen Erzeugern, Molkereien und dem Einzelhandel. Dabei zahle beispielsweise Lidl rund 5.000 Milcherzeugern „faire Preise“ und werbe mit seinem nachhaltigen Ansatz, was bei den Verbrauchern gut ankomme. Trotz der höheren Erzeugerpreise ist es laut Benning nicht zu einer höheren Milchproduktion gekommen, da die Menge vertraglich festgelegt worden sei.