Tankstellen in Deutschland können künftig auch paraffinische Dieselkraftstoffe als Reinkraftstoff anbieten, die z.B. aus Altspeiseölen oder auf Basis von Erdgas hergestellt wurden. Das hat das Bundeskabinett mit einer Novelle der 10. Verordnung zur Durchführung des Bundesimmissionsschutzgesetzes (10. BImSchV) beschlossen.
Paraffinische Dieselkraftstoffe können bereits heute fossilem Diesel beigemischt werden. Künftig dürfen sie auch in 100-%iger Konzentration angeboten werden. Um Schäden an den Fahrzeugen durch falsche Betankung zu vermeiden, verpflichtet die neue Verordnung Tankstellenbetreiber, Verbraucher einheitlich zu informieren. Zeitgleich mit der neuen Verordnung soll die bisherige Förderung paraffinischer Dieselkraftstoffe aus fossilen Quellen im Rahmen des Gesetzes über die Beschaffung sauberer Straßenfahrzeuge beendet werden, um klimaschädliche Anreize zu vermeiden.
Mit der Änderung wird paraffinischer Dieselkraftstoff nach der Norm DIN EN 15940 für den Einsatz im Straßenverkehr in die 10. BImSchV aufgenommen. Die Änderung der 10. BImSchV schließt Kraftstoffe aus 100 % hydrierten Pflanzenölen (HVO = Hydrotreated Vegetable Oils) ein. Die Novelle des Saubere-Fahrzeuge-Beschaffungs-Gesetzes und die Neufassung der 10. BImSchV sollen nahezu zeitgleich in Kraft treten. Die Novelle der 10. BImSchV bedarf noch der Zustimmung des Bundesrats.
Menge begrenzt
Experten gehen allerdings davon aus, dass nur ein kleiner Teil fossiler Kraftstoffe durch Diesel aus Speiseöl ersetzt werden kann. Karin Naumann vom Deutschen Biomasse-Forschungszentrum (DBFZ) aus Leipzig sagte dem Mitteldeutschen Rundfunk (MDR), das sei kein Kraftstoff für die breite Pkw-Anwendung, sondern eher für den Schwerlastverkehr. Auch das Bundesumweltministerium geht von einem begrenzten Einsatz aus. Ein Sprecher sagte dem MDR, die Menge an altem Frittenfett sei begrenzt. Schon jetzt werde altes Speiseöl fast vollständig im Verkehr eingesetzt. Das auszubauen sei gar nicht möglich.
Höhere Biodiesel-Beimischung
Mit der Novelle der 10. BImSchV werden außerdem europarechtliche Vorgaben umgesetzt, z.B. Teile der EU-Kraftstoffqualitätsrichtlinie. Sie sieht die Einführung von B10-Diesel vor, also konventionellem Diesel, dem bis zu 10 % Biodiesel beigemischt werden kann. Um die Versorgung von Fahrzeugen sicherzustellen, die nicht Diesel B10- oder XTL-verträglich sind, muss weiterhin Diesel B7 an Tankstellen verfügbar bleiben. Deshalb wird Diesel B7 als Bestandsschutzsorte eingeführt. Beide Kraftstoffe sollen an der Tankstelle nach einheitlichem europäischen System ausgezeichnet werden.
Bevor sie das erste Mal Diesel B10 oder XTL tanken, sollten sich Fahrer dieselbetriebener Fahrzeuge – zum Beispiel über eine Anfrage bei ihrem Autohändler oder -hersteller – vergewissern, dass ihr Fahrzeug den Kraftstoff wirklich verträgt. Die einzelnen Fahrzeughersteller geben Auskunft, ob ihre Fahrzeugmodelle Diesel B10 oder XTL vertragen. Auch sind einzelne Fahrzeuge bereits entsprechend im Tankdeckel gekennzeichnet oder die Information lässt sich aus der Betriebsanleitung entnehmen. Tankstellenbetreiber müssen ihrerseits künftig Diesel B10 und XTL an den Zapfsäulen deutlich kennzeichnen. Dort steht künftig der Name der Dieselsorte, also "Diesel B10". Das „B“ steht für die spezifischen Biodieselkomponenten im Dieselkraftstoff. Für XTL wird an Zapfsäulen "Paraffinischer Diesel" zu lesen sein. Alle Fahrer von Fahrzeugen, die keinen Nachweis über die Verträglichkeit von Diesel B10- oder XTL haben, sollten ausschließlich die bisherige Dieselsorte „Diesel B7“ tanken.
Branche begrüßt Änderung
Der Verband der Deutschen Biokraftstoffindustrie (VDB) begrüßt die im Bundeskabinett beschlossene Zulassung des Dieselkraftstoffs B10. „Mit dieser Entscheidung macht die Bundesregierung den Weg frei für mehr Klimaschutz im Verkehr. Denn indem das Kabinett eine höhere Beimischung von nachhaltigem Biodiesel ermöglicht, kann weniger fossiler Diesel verbraucht und der Treibhausgasausstoß deutlich verringert werden“, sagte Elmar Baumann, Geschäftsführer beim VDB.
Biodiesel stößt laut VDB 70 bis 90 % weniger CO₂ aus als fossiler Diesel. Gemessen wird der gesamte Produktionsprozess, vom Anbau der Rohstoffe über die Transporte und Verarbeitung im Biodieselwerk bis zur Nutzung. „2030 und in den Jahren danach werden noch über 30 Mio. Autos mit einem Verbrennungsmotor auf deutschen Straßen fahren. Deren Treibhausgasausstoß kann nur durch CO₂-arme Kraftstoffe verringert werden, deshalb brauchen wir Kraftstoffsorten wie B10.“ Bisher tanken Verbraucher an den Tankstellen die Dieselsorte B7, das heißt fossilen Diesel, dem bis zu 7 % Biodiesel beigemischt wird. Diese Kraftstoffsorte wird auch zukünftig an den Tankstellen angeboten werden. „Aktuell ändert sich für die Verbraucher nichts, und es wird noch einige Zeit dauern, bis Tankstellen auch B10 neben B7 anbieten“, sagte Baumann.
Der Einsatz von Biodiesel aus Anbaubiomasse ist auf einen Anteil von 4,4 % der im Verkehr verbrauchten Energie begrenzt. Deshalb bedeutet die heutige Entscheidung nicht, dass die Mineralölindustrie insgesamt mehr Biodiesel aus Raps in Deutschland nutzen darf. Biodiesel aus Deutschland, der heute zu erheblichen Anteilen in anderen Mitgliedstaaten abgesetzt wird, kann zum Erreichen der deutsche Klimaziele durch B10 stärker hierzulande genutzt werden. Biokraftstoffe stellen über 95 % der erneuerbaren Energien im Straßenverkehr. Sie haben nach vorläufigen Angaben der Generalzolldirektion im Jahr 2022 rund 16 Mio. t CO₂ eingespart. Aufgrund europäischer Regelungen tritt die heute im Kabinett verabschiedete 10. BImSchV in sechs Monaten in Kraft.