Auch auf Erzeugerebene gehen die Meinungen zum Artikel 148 GMO weit auseinander. Nach einer Befürworterin in der Vorwoche meldet sich nun eine Gegnerin zu Wort, bekommt aber selbst prompt Widerspruch.
DBV und DRV hatten in der vergangenen Woche Bundesfinanzminister Christian Lindner aufgerufen, den Artikel 148 GMO nicht national umzusetzen. Sie befürchten, dass die Milcherzeuger dadurch nicht gestärkt werden. Vielmehr rechnen DBV und DRV allenfalls mit höheren Kosten, mehr Bürokratie und eingeschränkter Vertragsfreiheit für Molkereien und Landwirte.
Die erste Vorsitzende von LSV SH+HH, Uta von Schmidt-Kühl, hatte die beiden Verbände dafür scharf kritisiert, denn sie erwartet durchaus mehr Vor- als Nachteile von der Anwendung des Artikels. Das sehen in der Landwirtschaft aber nicht alle so. Die niedersächsische Milchbäuerin Marietta Dieckmann widerspricht ihrer Kollegin und plädiert für Vertragsfreiheit in der Milchlieferkette. Doch auch ihr Standpunkt findet schnell Kritiker.
Das wird Millionen kosten
Die Umsetzung des Artikels 148 GMO, so wie Herr Özdemir es vorschlägt, wird die Milchbauern Millionen kosten und noch mehr Bürokratie bescheren.
Der Milchindustrieverband spricht sogar von 100 Mio. €, die durch die Preisabsicherung jährlich auf den nachgelagerten Bereich zukommen werden, während das BMEL selbst einmalige Kosten von 7.5 Mio. € und jährliche Kosten von 3 Mio. € schätzt. Egal wer besser rechnen kann - irgendwo dazwischen wird es liegen. Diese Millionen könnten wir Milchbauern doch besser in unserem Portmonee gebrauchen und noch mehr Bürokratie und Kontrollen brauchen wir wahrhaftig nicht.
Was ist denn nur mit dem LSV los, das er sich so vor den Karren des BDM spannen lässt, der immer schon ein Befürworter der Milchkontingentierung war und jetzt eine erneute Milchquote durch die Hintertür einführen will. Alle Nachteile, die mit Herrn Özdemirs Entwurf verbunden sind und vom DBV und DRV in Ihrem Artikel benannt werden, sind so offensichtlich und werden auch nicht gegenstandslos, wenn Frau Uta von Schmidt-Kühl behauptet, sie seien nicht so schlimm, ohne ein wirkliches Gegenargument zu bringen.
Mehrwert wird durch Verwaltung aufgefressen
Was nützt es mir zu wissen, wie mein Milchpreis in den nächsten Monaten aussehen wird, wenn ein Mehrwert durch Verwaltungsaufwand und noch mehr Bürokratie aufgefressen wird? Wie geht es mir als kleinen Milchbauern, wenn ich in schlechten Zeiten keinen Vertrag mehr bekomme, weil ich der letzte Hof im hintersten Winkel des Teutoburger Waldes bin? Wo lasse ich die Milch, wenn ich mehr produziere, als ich vertraglich abgesichert habe? Oder muss ich Milch zukaufen, wenn ich weniger produziere als vertraglich festgelegt und nicht liefern kann?
Laut BDM sind 70 % der deutschen Milchviehhalter genossenschaftlich organisiert mit Andienungs- und Abnahmepflicht, die durchaus ihre Berechtigung haben (s. oben), besonders in schlechten Zeiten. Zeiten, in denen vertraglich gebundene Liefergemeinschaften einen Grundpreis von 15 ct/l hatten und nicht wussten, ob ihre Milch morgen noch abgeholt wird. Molkereigenossenschaften sind Liefergemeinschaften, die ihre Milch selbst verarbeiten, also eine Stufe weiter als reine Milchsammelgemeinschaften. Sie verhandeln mit den Großen des Lebensmittelhandels, und da müssen sie gestärkt werden z. B. durch eine Erweiterung des Kartellrechts.
Molkereien nicht weiter schwächen
Es ist nicht einzusehen, dass Molkereien durch kostenträchtige Auflagen und Bürokratieungetüme geschwächt werden, nur damit kleine und kleinste Liefergemeinschaften vermeintlich bessere Verhandlungsbedingungen haben. Dabei weiß jeder, dass sich z. B. die kleineren Molkereien im Norden nach den Preisen der großen Genossenschaftsmolkereien richten, wenn es heißt: „Unser Auszahlungspreis liegt 2 ct/l über der DMK.“ Ich kann mir vorstellen, dass es im Süden so ähnlich ist.
Bitte stoppt Herrn Özdemir, bevor noch mehr Milchviehbetriebe - und vielleicht auch Molkereien - das Handtuch werfen!
Marietta Dieckmann
Die Gegenrede
Hagen Stark ist Tierarzt, Landwirt und LsV-Vorstand. Er führt eine Großtierpraxis und mit seiner Familie einen Milchviehbetrieb bei Görlitz in Ostsachsen. Sie melken 400 Kühe, zählen damit laut Stark aber in der Region zu den kleineren Milchviehbetrieben.
Er antwortet auf Diekmanns Kritik wie folgt: Ich unterstütze die Einführung des 148er und finde diesen Systemwechsel vom abhängigen Restgeldempfänger zum Unternehmer längst überfällig. Ich verstehe die altbackenen und abgedroschenen Argumente vom DBV und DRV nicht. Der DBV steht offen im Interessenskonflikt mit seinem assoziierten Mitglied MIV und schürt Angst und Spaltung.
Vorverträge gibt es auch woanders
Welcher Erzeuger oder Produzent kann gegen einen Vertrag vor der Erzeugung vor der Produktion sein, wo der Preis, die Menge, der Lieferzeitraum und die Qualität zuvor ausgehandelt und vereinbart werden? Ähnliche Handhabungen und Verträge existieren beim Getreidehandel, beim Düngerkauf, beim Futterkauf. In allen anderen Gewerken und Branchen findet dieses Modell Anwendung und genau das soll in der Milcherzeugung falsch sein? Im Gegenteil kann bei entsprechender Milchpreishöhe unternehmerisch reagiert werden. Wenn der Milchpreis niedrig ist, können die Menge angepasst und somit die Kosten unter Kontrolke gebracht werden.
Reale statt geschätzte Milchmenge mit Artikel 148
Ich sehe ebensowenig Bürokratieaufbau bei einer künftigen Vertragsgestaltung. Aktuell bestehen Milchabholungsverträge aus Qualitätskriterien, Boni-Festlegungen, geschätzten Mengen und Grundpreis-Ermittlungen für den folgenden Abrechnungsmonat. Beim 148er ändert es sich bei der geschätzten Milchmenge zu einer realen und die Milch bekommt mit einem vereinbarten Milchpreis einen echten Rohstoffwert. Bei diesem modernen liberalen Vertragssystem finde ich keinen Bürokratiezuwachs und Zusatzkosten.
Auch das Gespenst der Milch-Abholungsversagung bei kleineren Betrieben ist unbegründet. Jeder Milchbauer kann sich frei einer EZG anschließen und dabei regional sich verstärken.
Hagen Stark
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DBV und DRV hatten in der vergangenen Woche Bundesfinanzminister Christian Lindner aufgerufen, den Artikel 148 GMO nicht national umzusetzen. Sie befürchten, dass die Milcherzeuger dadurch nicht gestärkt werden. Vielmehr rechnen DBV und DRV allenfalls mit höheren Kosten, mehr Bürokratie und eingeschränkter Vertragsfreiheit für Molkereien und Landwirte.
Die erste Vorsitzende von LSV SH+HH, Uta von Schmidt-Kühl, hatte die beiden Verbände dafür scharf kritisiert, denn sie erwartet durchaus mehr Vor- als Nachteile von der Anwendung des Artikels. Das sehen in der Landwirtschaft aber nicht alle so. Die niedersächsische Milchbäuerin Marietta Dieckmann widerspricht ihrer Kollegin und plädiert für Vertragsfreiheit in der Milchlieferkette. Doch auch ihr Standpunkt findet schnell Kritiker.
Das wird Millionen kosten
Die Umsetzung des Artikels 148 GMO, so wie Herr Özdemir es vorschlägt, wird die Milchbauern Millionen kosten und noch mehr Bürokratie bescheren.
Der Milchindustrieverband spricht sogar von 100 Mio. €, die durch die Preisabsicherung jährlich auf den nachgelagerten Bereich zukommen werden, während das BMEL selbst einmalige Kosten von 7.5 Mio. € und jährliche Kosten von 3 Mio. € schätzt. Egal wer besser rechnen kann - irgendwo dazwischen wird es liegen. Diese Millionen könnten wir Milchbauern doch besser in unserem Portmonee gebrauchen und noch mehr Bürokratie und Kontrollen brauchen wir wahrhaftig nicht.
Was ist denn nur mit dem LSV los, das er sich so vor den Karren des BDM spannen lässt, der immer schon ein Befürworter der Milchkontingentierung war und jetzt eine erneute Milchquote durch die Hintertür einführen will. Alle Nachteile, die mit Herrn Özdemirs Entwurf verbunden sind und vom DBV und DRV in Ihrem Artikel benannt werden, sind so offensichtlich und werden auch nicht gegenstandslos, wenn Frau Uta von Schmidt-Kühl behauptet, sie seien nicht so schlimm, ohne ein wirkliches Gegenargument zu bringen.
Mehrwert wird durch Verwaltung aufgefressen
Was nützt es mir zu wissen, wie mein Milchpreis in den nächsten Monaten aussehen wird, wenn ein Mehrwert durch Verwaltungsaufwand und noch mehr Bürokratie aufgefressen wird? Wie geht es mir als kleinen Milchbauern, wenn ich in schlechten Zeiten keinen Vertrag mehr bekomme, weil ich der letzte Hof im hintersten Winkel des Teutoburger Waldes bin? Wo lasse ich die Milch, wenn ich mehr produziere, als ich vertraglich abgesichert habe? Oder muss ich Milch zukaufen, wenn ich weniger produziere als vertraglich festgelegt und nicht liefern kann?
Laut BDM sind 70 % der deutschen Milchviehhalter genossenschaftlich organisiert mit Andienungs- und Abnahmepflicht, die durchaus ihre Berechtigung haben (s. oben), besonders in schlechten Zeiten. Zeiten, in denen vertraglich gebundene Liefergemeinschaften einen Grundpreis von 15 ct/l hatten und nicht wussten, ob ihre Milch morgen noch abgeholt wird. Molkereigenossenschaften sind Liefergemeinschaften, die ihre Milch selbst verarbeiten, also eine Stufe weiter als reine Milchsammelgemeinschaften. Sie verhandeln mit den Großen des Lebensmittelhandels, und da müssen sie gestärkt werden z. B. durch eine Erweiterung des Kartellrechts.
Molkereien nicht weiter schwächen
Es ist nicht einzusehen, dass Molkereien durch kostenträchtige Auflagen und Bürokratieungetüme geschwächt werden, nur damit kleine und kleinste Liefergemeinschaften vermeintlich bessere Verhandlungsbedingungen haben. Dabei weiß jeder, dass sich z. B. die kleineren Molkereien im Norden nach den Preisen der großen Genossenschaftsmolkereien richten, wenn es heißt: „Unser Auszahlungspreis liegt 2 ct/l über der DMK.“ Ich kann mir vorstellen, dass es im Süden so ähnlich ist.
Bitte stoppt Herrn Özdemir, bevor noch mehr Milchviehbetriebe - und vielleicht auch Molkereien - das Handtuch werfen!
Marietta Dieckmann
Die Gegenrede
Hagen Stark ist Tierarzt, Landwirt und LsV-Vorstand. Er führt eine Großtierpraxis und mit seiner Familie einen Milchviehbetrieb bei Görlitz in Ostsachsen. Sie melken 400 Kühe, zählen damit laut Stark aber in der Region zu den kleineren Milchviehbetrieben.
Er antwortet auf Diekmanns Kritik wie folgt: Ich unterstütze die Einführung des 148er und finde diesen Systemwechsel vom abhängigen Restgeldempfänger zum Unternehmer längst überfällig. Ich verstehe die altbackenen und abgedroschenen Argumente vom DBV und DRV nicht. Der DBV steht offen im Interessenskonflikt mit seinem assoziierten Mitglied MIV und schürt Angst und Spaltung.
Vorverträge gibt es auch woanders
Welcher Erzeuger oder Produzent kann gegen einen Vertrag vor der Erzeugung vor der Produktion sein, wo der Preis, die Menge, der Lieferzeitraum und die Qualität zuvor ausgehandelt und vereinbart werden? Ähnliche Handhabungen und Verträge existieren beim Getreidehandel, beim Düngerkauf, beim Futterkauf. In allen anderen Gewerken und Branchen findet dieses Modell Anwendung und genau das soll in der Milcherzeugung falsch sein? Im Gegenteil kann bei entsprechender Milchpreishöhe unternehmerisch reagiert werden. Wenn der Milchpreis niedrig ist, können die Menge angepasst und somit die Kosten unter Kontrolke gebracht werden.
Reale statt geschätzte Milchmenge mit Artikel 148
Ich sehe ebensowenig Bürokratieaufbau bei einer künftigen Vertragsgestaltung. Aktuell bestehen Milchabholungsverträge aus Qualitätskriterien, Boni-Festlegungen, geschätzten Mengen und Grundpreis-Ermittlungen für den folgenden Abrechnungsmonat. Beim 148er ändert es sich bei der geschätzten Milchmenge zu einer realen und die Milch bekommt mit einem vereinbarten Milchpreis einen echten Rohstoffwert. Bei diesem modernen liberalen Vertragssystem finde ich keinen Bürokratiezuwachs und Zusatzkosten.
Auch das Gespenst der Milch-Abholungsversagung bei kleineren Betrieben ist unbegründet. Jeder Milchbauer kann sich frei einer EZG anschließen und dabei regional sich verstärken.