Jan Große-Kleimann steht am Montag dieser Woche in seinem 10 ha Weizenschlag, der alle 33 Meter von einer Apfelbaumreihe durchzogen ist und leistet Überzeugungsarbeit. Neben ihm hört Bundesagrarminister Cem Özdemir lange schweigend zu. „Warum machen das denn nicht alle Landwirte so?“, unterbricht er den Vortrag des Junglandwirts über die Chancen der Agroforstwirtschaft auf einmal.
Große-Kleimann muss nicht lange nachdenken: Da wäre zum einen das fehlende Wissen, sagt er. Auch der Dreißigjährige hat in seinem Studium der Agrarwissenschaften nur am Rande von Agroforst erfahren, gibt er zu. Aber dann kommt schon der schwierige politische Rahmen.
Der Junglandwirt hat seinen Agroforstbestand im Jahr 2022 auf seinem Betrieb in Steinfurt (NRW) gepflanzt und den Schritt bisher nicht bereut. Doch in die Euphorie des Anfangs mischt sich auch Ernüchterung. Am Montag empfing er Bundesagrarminister Cem Özdemir (Grüne) zu Besuch auf seinem Acker und konfrontierte ihn mit ganz konkreten Wünschen:
Mangelnde Investitionsförderung
Es hinkt, wie so oft, an der Ökonomie. Der Junglandwirt sagt: „Meine Enkel könnten die Werthölzer zu Möbeln verarbeiten. Aber davon habe ich jetzt gar nichts.“ Zwischen der Pflanzung und den ersten Erträgen durch das System klafft eine Lücke, die Betriebe mit anderen Standbeinen füllen müssen – Im Fall Große-Kleimann ist das z. B. die Schweinemast. 3.500 Mastplätze und 210 ha Ackerbau tragen den Betrieb. Einen Teil der Investitionen konnte er über das EU-Programm LEADER abdecken. Das und die Tierhaltung ermöglichten, dass Familie Große-Kleimann ihre Vision realisieren konnte. Investiert habe er inkl. Zaun gegen den Wildverbiss und Bewässerung rund 30.000 € in seine Agroforstanlage.
Im Rahmen der zweiten Säule der GAP fördern aktuell nur die Länder Bayern, Niedersachsen, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern die Investitionen in Agroforst. Große-Kleimann fordert dies für jedes Bundesland sowie eine höhere laufende Unterstützung. Die Öko-Regelung 3 unterstützt lediglich die Beibehaltung der Gehölze. Aktuell erhält er für seine 0,6 ha Agroforst 120 € pro Jahr, bis vor Kurzem waren es sogar nur 36 €. „Das frustriert, vor allem wenn man sich die Chancen vor Augen führt“, sagt er.
BMEL stuft Agroforst Ziel drastisch herunter
Die Chancen auf eine Veränderung in der Förderung sieht er nüchtern. „Ich glaube leider nicht, dass sich so bald etwas tut.“ Aus Kreisen des Bundeslandwirtschaftsministeriums heißt es aktuell, man versuche etwas zu ändern, aber ob das vor 2027 klappe, sei nicht sicher.
Das Ziel, bis 2027 ganze 200.000 ha Agroforst zu etablieren, hat das BMEL bereits auf 11.500 ha herabgesetzt. Minister Özdemir zeigte sich bei seinem Besuch im Münsterland kämpferisch: „Was wir als BMEL tun können, um die Agroforstwirtschaft zu fördern, werden wir tun.“
80 % aller Agroforstbetriebe ohne Förderung
Neben mehr Geld fordert der Junglandwirt eine schlankere Bürokratie. Die Öko-Regelung 3 (ÖR 3) sei schlichtweg nicht für die Praxis gemacht. So kommt es dazu, dass rund 80 % der Agroforstbetriebe nicht in die Förderschemata fallen. Es gebe zu viele Einschränkungen für die Landwirte, beispielsweise seien Brache- und Blühstreifen im Agroforst nicht möglich, genau wie ein Abstand von weniger als 20 cm zwischen den Gehölzen oder die Pflanzung am Rand der Fläche.
Auch der Anbau unterschiedlicher Ackerkulturen in einem Agroforstsystem ist nicht erlaubt. So ist die ÖR 3 nicht mit ÖR 1 oder 2 kombinierbar. Seine Forderungen aus der Praxis decken sich mit denen des Deutschen Fachverbandes für Agroforstwirtschaft (DeFAF).
So können wir den Ertrag pro Fläche steigern und erbringen gleichzeitig mehr Umweltleistungen.
Trotz allem wird Jan Große-Kleimann nicht müde, mit Begeisterung die Vorteile des Agroforstsystems zu erklären. Neben all den Umweltleistungen, wie Humusaufbau, Grundwasserschutz und -neubildung oder gesteigerter Artenvielfalt, behält er auch die Ertragsleitung (Land Equivalent Ratio, kurz LER) im Auge: Hier steckt laut einer Studie großes Potenzial.
Das Agroforstsystem des Steinfurter Betriebs hat eine LER von 1,4, was bedeutet, dass bei einem Anbau in Reinkultur 1,4 ha nötig wären, um die gleichen Erträge, wie auf 1 ha Agroforst zu erzielen. Er sagt: „So können wir den Ertrag pro Fläche steigern und erbringen gleichzeitig mehr Umweltleistungen.“
Agroforst weckt gesellschaftliches Interesse
Die 460 gepflanzten Bäume zeigen einen weiteren Effekt. „Plötzlich kommen richtig viele Menschen vorbei und interessieren sich. Wir haben mit dem Agroforst einen Anknüpfungspunkt gefunden“, sagt Große-Kleimann. „Und das brauchen wir Landwirte sehr dringend.“ Sogar Grundschulkinder halfen der Familie beim Pflanzen. Das alte Spargelhaus auf dem Hof soll nun ein Kultur- und Bildungsort werden.
Bei seinem Besuch spricht sich auch Minister Özdemir für mehr Bildung im Agrarbereich aus und betont, dass Landwirtschaft z. B. als ein verpflichtendes Praktikum in die Schulen gehöre. Insgesamt wünscht sich die Familie vom Ministerbesuch, den politischen Scheinwerfer auf solche innovativen Landnutzungsformen zu lenken.
Sagen Sie uns Ihre Meinung!
Was denken Sie über Agroforst und die politischen Rahmenbedingungen? Was muss Ihrer Meinung nach passieren, damit mehr Landwirte Agroforstsysteme einführen?
Schreiben Sie gerne an malin.dietrich@topagrar.com
Wir behalten uns vor, Einsendungen ggf. gekürzt zu veröffentlichen.