Die Abschaffung des konventionellen Kastenstandes im Abferkelstall ist eine von mehreren geänderten Vorgaben der neuen Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung. Als Alternativen stehen Sauenhaltern zum einen der Einbau von Bewegungsbuchten und zum anderen die Umrüstung auf Buchten zur freien Abferkelung zur Wahl.
80 Teilnehmer mit freier Abferkelung
Das Tierwohl-Kompetenzzentrum Schwein des Netzwerks Fokus Tierwohl hat im vergangenen Jahr Sauenhalter dazu aufgerufen, ihre Praxiserfahrungen mit Bewegungsbuchten und der freien Abferkelung zu teilen. Das Netzwerk Fokus Tierwohl ist ein vom BMEL aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördertes Projekt. In der vergangenen Woche wurden bereits die Erfahrungen zu Bewegungsbuchten vorgestellt.
An der Umfrage nahmen insgesamt 214 Sauenhalter aus Deutschland, Österreich und der Schweiz teil. Von ihnen gaben 80 Teilnehmer an, mit der freien Abferkelung zu arbeiten. Dabei können 36 Betriebe auf mehr als 5 Jahre Erfahrung zurückgreifen. Weitere 27 Teilnehmer betreiben bereits seit 1 – 5 Jahren die freie Abferkelung. Bezogen auf die Anzahl der Freilaufbuchten im Betrieb gab es nur 5 Sauenhalter, die bisher nur eine geringe Anzahl von Buchten zum Testen eingebaut haben. Bei 56 Betrieben ermöglichen bereits alle Buchten im Abferkelstall die freie Abferkelung.
Die Vermutung, dass es sich dabei vorwiegend um ökologisch wirtschaftende Betriebe handelt, bestätigen die Antworten in der Umfrage nicht. Die Verteilung der ökologisch und konventionell wirtschaftenden Betriebe war ausgeglichen. Ein Blick auf die angegebenen Betriebsgrößen zeigt, dass es sich bei den Teilnehmern vorwiegend um Betriebe mit weniger als 100 Sauen handelt (Abbildung 1).
Als wesentlicher Unterschied zu Bewegungsbuchten wird die Sau bei der freien Abferkelung weder vor oder während der Geburt, noch in der Säugezeit in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Um dennoch den Arbeitsschutz zu gewährleisten, kann es Vorrichtungen geben, um Sauen kurzzeitig, beispielsweise zur Behandlung, zu fixieren. In der ökologischen Schweinehaltung ist die freie Abferkelung seit vielen Jahren bereits Standard. Dort dient meist der vorgeschriebene Auslauf als Möglichkeit, Sauen kurzzeitig von ihren Ferkeln zu trennen. Auf die Frage, ob es eine Möglichkeit zur kurzfristigen Fixierung der Sau gibt, antworteten zwei Drittel der Teilnehmer mit „Nein“.
Es kommt nicht nur auf die Größe der Bucht an
Auch für Buchten zur freien Abferkelung gilt ab 2036 eine Mindestfläche von 6,5 m², wenn der Betrieb konventionell wirtschaftet. Für ökologisch wirtschaftende Betriebe gilt wie bisher eine Mindestfläche von 7,5 m2im Innenbereich. Von 30 Sauenhaltern gaben nur vier an, dass die Größe ihrer Freilaufbuchten kleiner als 6,5 m² ist. Der überwiegende Teil der Umfrageteilnehmenden hält die frei abferkelnden Sauen in Buchten mit 7 bis 8 m². In einigen Betrieben sind sogar Buchten installiert, die mit bis zu 12 m² deutlich mehr Fläche als die gängigen Bewegungsbuchten aufweisen (Abb. 2).
Jedoch ist mehr Fläche nicht automatisch von Vorteil. Damit die Sau sich eine feste Kotecke anlegt oder auch die Saugferkel in ihren ersten Lebenstagen nicht auf der Suche nach dem Ferkelnest unterkühlen, ist eine gute Strukturierung der Bucht erforderlich. Eine Buchtenstrukturierung kann z.B. durch die Bodengestaltung oder die Platzierung des Ferkelnests sowie des Trogs und der Tränke erreicht werden.
Auf die Frage, welche Buchten in den Ställen der Befragten eingebaut sind, antworteten 39 Personen. Von diesen gaben 26 an, dass es sich bei ihren Buchten um Eigenkonstruktionen handelt. Da sich oft erst im praktischen Einsatz zeigt, wie gut die Bucht funktioniert, wurde ebenfalls abgefragt, ob die Teilnehmer nachträgliche Umbauten vorgenommen haben. Auch wenn die Mehrheit keine Anpassungen vornehmen musste, wurden bei einigen Betrieben Verbesserungen zur Steuerung des Liegeverhaltens bzw. des Abliegens und Veränderungen am Ferkelnest sowie an Trog und Tränke vorgenommen. Am häufigsten wurden Abliegehilfen nachgerüstet, die gleichzeitig als Abstandshalter zu den Buchtenwänden fungieren und den Ferkeln damit rund um die Sau Fluchträume bieten, um Erdrückungsverluste zu minimieren.
Vor- und Nachteile der freien Abferkelung
Des Weiteren wurden die Landwirte auch nach den Vor- und Nachteilen der freien Abferkelung gefragt (Tab. 1). Vielfach wurde das Ausleben der natürlichen Verhaltensweisen sowohl der Sau als auch der Ferkel als positiver Aspekt genannt. Bei den Einschätzungen des Arbeitsaufwandes gingen die Meinungen auseinander. Während einige Teilnehmer angaben, dass die Vorteile für die Sau (z. B. positiver Einfluss auf Geburtsverlauf/Tiergesundheit) gleichzeitig auch zu einem geringeren Arbeitsaufwand für den Tierbetreuenden führen, sorgte bei anderen Teilnehmern z.B. das Fangen der Ferkel für Behandlungen für einen erhöhten Arbeitsaufwand.
Die Frage zu den Nachteilen der freien Abferkelung für den Tierbetreuenden beantworteten 33 Sauenhalter. Die verringerte Arbeitssicherheit wurde dabei von 23 Schweinehaltern benannt. Dies spiegelt sich auch in den Antworten auf die Frage wider, wie die Arbeitssicherheit im Vergleich zu konventionellen Buchten eingeschätzt werde. Der Großteil der Befragten sieht für sich selbst bei der Arbeit mit der freien Abferkelung eine geringere Sicherheit. Gefahr gehe hauptsächlich von aggressiven bzw. auch sehr mütterlichen Sauen aus, wodurch sowohl die Geburtshilfe, die Erstversorgung der Ferkel, deren Einfangen für Behandlungen als auch Behandlungen der Sau selbst erschwert werden.
Gute Mensch-Tier-Beziehung wichtig
Einige der Teilnehmenden sahen keinen Unterschied bei der Arbeitssicherheit zwischen den beiden Abferkelsystemen. Voraussetzung dafür sei allerdings, dass man seine Tiere kenne und gefährliche Situationen abschätzen könne. Auch das Kennzeichnen besonders mütterlicher Sauen und entsprechende Vorkehrungen, wie das Betreten der Bucht nur mit einem Brett oder dem Aussperren der Sau im Auslauf, minimieren das Risiko. Außerdem erleichtere eine gute Mensch-Tier-Beziehung die Arbeit mit den Sauen enorm. Ein sehr gutes Verhältnis zur Herde und regelmäßiger Berührungskontakt (z. B. Kopfkraulen) sorge dafür, dass der Mensch nicht als Gefahr wahrgenommen werde, wodurch das Stresslevel der Sau geringer sei.
Auf was kommt es sonst noch an?
Auch die Auswahl der Sauen spielt für den Erfolg bei der freien Abferkelung eine wichtige Rolle. Die Umfrageteilnehmer bezogen sich dabei sowohl auf die Wahl der Genetik als auch auf das Einzeltier. Nicht jede Sau sei für die freie Abferkelung geeignet. Viele Umfrageteilnehmer betonten, wie wichtig ruhige Sauen mit guten Muttereigenschaften seien. Die Frage, ob der Betrieb Eigenremontierung durchführt, beantworteten 32 Teilnehmer mit einem „Ja“. Für die Selektion der Sauen gaben sie an, dass die Kriterien „Mütterlichkeit“, „Fitness der Ferkel“ und „Aggressivität dem Menschen gegenüber“ den höchsten Stellenwert für sie hätten.
Der Umstieg auf die freie Abferkelung ist eine Herausforderung. Ein Teilnehmer fasste die Knackpunkte gut zusammen: „Der Schutzkorb muss durch Platz, Klima, Struktur und Management ersetzt werden“.
Lesen Sie HIER alle Antworten der Umfrageteilnehmerinnen und -teilnehmer.