Wertschöpfung durch Paludikulturen hinkt hinterher
Deckungsbeitragsverluste und Gefährdung von Arbeitsplätzen: Welche Optionen bleiben Landwirten bei der Wiedervernässung der Moore? Das Grünlandzentrum hat die Studienlage ausgewertet.
In Sachen Moorschutz kollidieren die anspruchsvollen Klimaziele der Politik mit der Realität niedersächsischer Milchviehbetriebe. Für sie bringen Moorschutzmaßnahmen immense finanzielle Belastungen mit sich. Das ist ein Ergebnis des Grünlandzentrums Niedersachsen e.V., das für einen "Faktencheck" mehrere Studien zum Thema Moorschutz gesichtet und ausgewertet hat.
Konkret ging es um die wirtschaftlichen Folgen der Wiedervernässungspläne für die Milchviehhalter Niedersachsens, speziell im Küstenraum. Dafür hat Ende 2022 es zahlreiche Quellen sondiert und Aussagen von Experten zusammengetragen. Das Resultat: Eine Informationssammlung, die weitreichende finanzielle Verluste durch den Moorschutz zeigt.
Bereits für das Einrichten der Flächen und das nötige Wassermanagement entstehen der Auswertung zufolge Kosten von rund 14.000 €/ha. Wollen betroffene Betriebsleiter dazu etwa Torfmoos-Kulturen einrichten, ist das laut der Grünlandzentrum-Studie sogar mit Investitionen von rund 50.000 €/ha verbunden. Und das ohne stabile Absatzmöglichkeiten, da die Wertschöpfungsketten und Märkte derzeit nicht erschlossen sind.
Stand heute tragen rund 1,35 Milchkühe pro ha Moorboden in Niedersachsens Küstenregion zur Wertschöpfung bei. Somit sichern insgesamt rund 280.000 Kühe das Einkommen vieler Landwirtsfamilien. Der stark torfzehrenden, trockenen Moornutzung der Milchviehhalter stehen die Ziele des Klimaschutzes durch Moorschutz allerdings entgegen. Als Nutzungsalternativen nennt das Grünlandzentrum die Renaturierung, Paludikulturen, Photovoltaik und den Emissionshandel.
Paludikulturen rechnen sich nur mit hohen Förderungen
An Forschungsstellen wie dem Greifswald Moor Centrum oder der Humboldt-Universität Berlin laufen zahlreiche Projekte zu sogenannten Paludikulturen. Der Anbau von Rohrkolben, Schilfen oder Torfmoosen auf nassem Untergrund erzeugt demnach deutlich weniger Emissionen als die trockene Bewirtschaftung. Aus deren Biomasse lassen sich z. B. nachhaltige Baumaterialien herstellen. „Festzuhalten ist grundsätzlich, dass Paludikulturen keine Senkenfunktion erreichen, sondern als schwach torfzehrende Nutzung weiterhin Emissionen erzeugen“, so die Auswertung des Grünlandzentrums.
In Bezug auf die ökonomische Einschätzung sieht das Grünlandzentrum hohen Förderbedarf dieser Kulturen: Für die Einrichtung der Flächen, den Anbau, die Verarbeitung und die Vermarktung. Stabile Wertschöpfungsketten seien also nur mit einer weitreichenden staatlichen Förderung realistisch. Das im Faktencheck aufgezeigte Fazit des Deutschen Verbandes für Landschaftspflege (DVL) e.V. und des Greifswald Moor Centrums lautet dementsprechend:
Die Bewirtschaftung nasser Moore bietet derzeit keine wirtschaftlich tragfähige Alternative zur entwässerungsbasierten Landwirtschaft.“
DVL, 2022
Die Experten raten dazu, die Entwicklung von schwach torfzehrenden Nutzungsformen kombiniert mit Weidehaltung zu fördern. Die extensive Milchviehhaltung auf nasseren Standorten bringe schnellere Effekte der Treibhausgaseinsparung und bewahre Landwirte vor der aufwendigen Umstrukturierung des Betriebes. Das Grünlandzentrum verweist dabei auf Landwirte in den Niederlanden, die diese Möglichkeit bereits testen.
Emissionshandel bleibt Zukunftsmusik
Ergänzend zu der schwach torfzehrenden Nutzung durch Paludikulturen könnte der Emissionshandel eine Einkommensalternative bieten. Voraussetzungen hierfür sind jedoch
die Einbeziehung des Agrarsektors in den Emissionshandel,
ein öffentlich-rechtlich geregeltes Emissionshandelssystem und
ein flächendeckendes Monitoring der Moorlandschaften.
Deckungsbeitragsverluste von mehreren hundert Millionen Euro
Auf vernässten Flächen können der Studie zufolge auch Photovoltaikanlagen die Emissionen reduzieren und erneuerbare Energien erzeugen. Das Grünlandzentrum sagt für Flächen-PV außerdem eine jährliche Pachteinnahme von 2.500 € pro Hektar voraus - bei steigenden Strompreisen und in günstigen Lagen sollen auch Pachteinnahmen von über 3.000 € möglich sein. Auf der anderen Seite entstehen auch hier planungsrechtliche, ökonomische und technische Herausforderungen. Beispielsweise sei der Pflegeaufwand der Anlagen durch die Entfernung von unerwünschtem Aufwuchs (Birken, Binsen) zwischen den Solarpanelen zurzeit kaum untersucht. Außerdem könne es neben der teuren Investition zu hohen Infrastrukturkosten kommen.
Der Faktencheck des Grünlandzentrums legt schlussendlich eine Bewertung der Folgen für Milchviehhalter im betrachteten Gebiet vor. Insgesamt fallen durch die Vernässung Deckungsbeitragsverluste von mehreren hundert Millionen Euro im Jahr an. Dazu kommt die Gefährdung der Arbeitsplätze in der küstennahen Landwirtschaft.
Insgesamt liegen für keine der genannten Alternativen ausreichende Forschungsergebnisse oder gar praktische Erfahrungen vor, die belastbar genug sind, um die Landwirtschaft auf Moorstandorten umzustrukturieren. Die Wirtschaftlichkeit von z. B. Paludikulturen hängt laut Umweltbundesamt stark von der bislang kaum vorhandenen Nachfrage und den fehlenden Verwertungsstrukturen ab.
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In Sachen Moorschutz kollidieren die anspruchsvollen Klimaziele der Politik mit der Realität niedersächsischer Milchviehbetriebe. Für sie bringen Moorschutzmaßnahmen immense finanzielle Belastungen mit sich. Das ist ein Ergebnis des Grünlandzentrums Niedersachsen e.V., das für einen "Faktencheck" mehrere Studien zum Thema Moorschutz gesichtet und ausgewertet hat.
Konkret ging es um die wirtschaftlichen Folgen der Wiedervernässungspläne für die Milchviehhalter Niedersachsens, speziell im Küstenraum. Dafür hat Ende 2022 es zahlreiche Quellen sondiert und Aussagen von Experten zusammengetragen. Das Resultat: Eine Informationssammlung, die weitreichende finanzielle Verluste durch den Moorschutz zeigt.
Bereits für das Einrichten der Flächen und das nötige Wassermanagement entstehen der Auswertung zufolge Kosten von rund 14.000 €/ha. Wollen betroffene Betriebsleiter dazu etwa Torfmoos-Kulturen einrichten, ist das laut der Grünlandzentrum-Studie sogar mit Investitionen von rund 50.000 €/ha verbunden. Und das ohne stabile Absatzmöglichkeiten, da die Wertschöpfungsketten und Märkte derzeit nicht erschlossen sind.
Stand heute tragen rund 1,35 Milchkühe pro ha Moorboden in Niedersachsens Küstenregion zur Wertschöpfung bei. Somit sichern insgesamt rund 280.000 Kühe das Einkommen vieler Landwirtsfamilien. Der stark torfzehrenden, trockenen Moornutzung der Milchviehhalter stehen die Ziele des Klimaschutzes durch Moorschutz allerdings entgegen. Als Nutzungsalternativen nennt das Grünlandzentrum die Renaturierung, Paludikulturen, Photovoltaik und den Emissionshandel.
Paludikulturen rechnen sich nur mit hohen Förderungen
An Forschungsstellen wie dem Greifswald Moor Centrum oder der Humboldt-Universität Berlin laufen zahlreiche Projekte zu sogenannten Paludikulturen. Der Anbau von Rohrkolben, Schilfen oder Torfmoosen auf nassem Untergrund erzeugt demnach deutlich weniger Emissionen als die trockene Bewirtschaftung. Aus deren Biomasse lassen sich z. B. nachhaltige Baumaterialien herstellen. „Festzuhalten ist grundsätzlich, dass Paludikulturen keine Senkenfunktion erreichen, sondern als schwach torfzehrende Nutzung weiterhin Emissionen erzeugen“, so die Auswertung des Grünlandzentrums.
In Bezug auf die ökonomische Einschätzung sieht das Grünlandzentrum hohen Förderbedarf dieser Kulturen: Für die Einrichtung der Flächen, den Anbau, die Verarbeitung und die Vermarktung. Stabile Wertschöpfungsketten seien also nur mit einer weitreichenden staatlichen Förderung realistisch. Das im Faktencheck aufgezeigte Fazit des Deutschen Verbandes für Landschaftspflege (DVL) e.V. und des Greifswald Moor Centrums lautet dementsprechend:
Die Bewirtschaftung nasser Moore bietet derzeit keine wirtschaftlich tragfähige Alternative zur entwässerungsbasierten Landwirtschaft.“
DVL, 2022
Die Experten raten dazu, die Entwicklung von schwach torfzehrenden Nutzungsformen kombiniert mit Weidehaltung zu fördern. Die extensive Milchviehhaltung auf nasseren Standorten bringe schnellere Effekte der Treibhausgaseinsparung und bewahre Landwirte vor der aufwendigen Umstrukturierung des Betriebes. Das Grünlandzentrum verweist dabei auf Landwirte in den Niederlanden, die diese Möglichkeit bereits testen.
Emissionshandel bleibt Zukunftsmusik
Ergänzend zu der schwach torfzehrenden Nutzung durch Paludikulturen könnte der Emissionshandel eine Einkommensalternative bieten. Voraussetzungen hierfür sind jedoch
die Einbeziehung des Agrarsektors in den Emissionshandel,
ein öffentlich-rechtlich geregeltes Emissionshandelssystem und
ein flächendeckendes Monitoring der Moorlandschaften.
Deckungsbeitragsverluste von mehreren hundert Millionen Euro
Auf vernässten Flächen können der Studie zufolge auch Photovoltaikanlagen die Emissionen reduzieren und erneuerbare Energien erzeugen. Das Grünlandzentrum sagt für Flächen-PV außerdem eine jährliche Pachteinnahme von 2.500 € pro Hektar voraus - bei steigenden Strompreisen und in günstigen Lagen sollen auch Pachteinnahmen von über 3.000 € möglich sein. Auf der anderen Seite entstehen auch hier planungsrechtliche, ökonomische und technische Herausforderungen. Beispielsweise sei der Pflegeaufwand der Anlagen durch die Entfernung von unerwünschtem Aufwuchs (Birken, Binsen) zwischen den Solarpanelen zurzeit kaum untersucht. Außerdem könne es neben der teuren Investition zu hohen Infrastrukturkosten kommen.
Der Faktencheck des Grünlandzentrums legt schlussendlich eine Bewertung der Folgen für Milchviehhalter im betrachteten Gebiet vor. Insgesamt fallen durch die Vernässung Deckungsbeitragsverluste von mehreren hundert Millionen Euro im Jahr an. Dazu kommt die Gefährdung der Arbeitsplätze in der küstennahen Landwirtschaft.
Insgesamt liegen für keine der genannten Alternativen ausreichende Forschungsergebnisse oder gar praktische Erfahrungen vor, die belastbar genug sind, um die Landwirtschaft auf Moorstandorten umzustrukturieren. Die Wirtschaftlichkeit von z. B. Paludikulturen hängt laut Umweltbundesamt stark von der bislang kaum vorhandenen Nachfrage und den fehlenden Verwertungsstrukturen ab.