Stilllegung der Biogasanlage: „So kann ich nicht weiter machen“
Hans Heinzelmann will das Wärmenetz statt mit Biogasabwärme künftig mit Hackschnitzeln versorgen. Bayerns Landwirtschaftsministerin Kaniber drängt auf schnelle Hilfe für die Anlagenbetreiber.
Zum Jahresende ist Schluss. Auch wenn Hans Heinzelmann im Moment noch nicht genau weiß, wie es danach für ihn und seine 35 Wärmekunden weitergehen soll – das jedenfalls steht fest: „Ich schließe meine Biogasanlage.“ Der Landwirt und Anlagenbetreiber aus dem Unterallgäuer Kirchheim sieht unter den aktuellen politischen und wirtschaftlichen Bedingungen „definitiv keine Zukunft“ mehr für seine 320 kW-Anlage. „Für 17 Cent je Kilowattstunde kann ich nicht produzieren“, hat sich der 47Jährige dazu entschieden, gar nicht erst in die Ausschreibung zu gehen. Stattdessen plant er nun den Bau eines Hackschnitzelheizwerks, um die Wärmelieferverträge mit seinen Nachbarn weiter erfüllen zu können. Bis Herbst muss die neue Anlage stehen.
Hohe Investitionskosten
In einem langen Gespräch mit Thomas Hartmann, Vorsitzender des Vereins renergie Allgäu und als Energieberater Fachmann für die Projektierung von Nahwärmenetzen, schilderte Hans Heinzelmann seine Not und das Unverständnis über die aktuelle Lage: „Warum reglementiert und schränkt der Staat uns so ein?“ Der Landwirt fordert einen sofortigen Abbau der Bürokratie, eine Aufhebung der Ausschreibungsdeckel und das Ende der diktierten Preise.
Als er vor 20 Jahren die Anlage gebaut und zwei Jahre später von 100 auf 320 kW erweitert hatte, hatte er noch 23 ct/kWh Strom bekommen. Um jetzt in die Ausschreibung gehen zu können, müsste er neben den stetig steigenden laufenden Kosten nach eigenen Berechnungen neuerlich rund eine halbe Mio. € in zwei neue Motoren, neue Einbring- und Rührtechnik investieren – und bekäme deutlich weniger Geld. „Wenn überhaupt – denn mir garantiert ja niemand, dass ich zum Zug komme“, kritisiert Heinzelmann das Ausschreibungsmodell, das nur dazu führe, dass sich die Landwirte im Ringen um einen Zuschlag gegenseitig unterbieten. „Und dieser Preis gilt dann verbindlich für zehn Jahre – egal, wie sich die Kosten und Vergütungen in den Jahren danach entwickeln“, gibt seine Frau Karin zu bedenken. „Das System passt einfach nicht zum Betrieb.“
Hans Heinzelmann ist Landwirt aus Überzeugung und Leidenschaft. Vor gut 20 Jahren hatte er den Betrieb, der seit über 100 Jahren und vielen Generationen im Familienbesitz ist, vom Vater übernommen. Der 15jährige Sohn, das jüngste seiner drei Kinder, möchte den Hof mit rund 250 Aufzuchtrindern später weiterführen. Ihm und Mutter Karin fiel die Entscheidung, die Biogasanlage nach 20 Jahren wieder abzuschalten, am schwersten. „Sie hätten gerne weitergemacht“, erzählt Heinzelmann von langen Diskussionen im Familienrund. Am Ende aber sei die Entscheidung mit Blick auf die Wirtschaftlichkeit und die Versorgungssicherheit gefallen. „Ich kann ja meine Kunden nicht hängen lassen“, sagt Heinzelmann. Und mit den unkalkulierbaren Ausschreibungsrichtlinien sei keine Garantie auf Fortbestand gegeben.
Darum jetzt also die Entscheidung für ein Hackschnitzelheizwerk. Heinzelmann läuft die Zeit davon. „Bis November spätestens muss die Anlage laufen.“ Doch noch wartet er auf die Baugenehmigung durch das zuständige Landratsamt. Erst dann kann er Anträge auf Förderung stellen und mit dem Bau beginnen. Rund 600 000 € wird ihn die neue Anlage nach eigenen Berechnungen kosten. Eine Investition, an der er schweren Herzens auch die Kunden beteiligen muss. Es wird eine neuerliche Anschlussgebühr von 8000 € je Haushalt fällig werden – und statt des bisherigen Pauschalpreises kostet die Kilowattstunde Wärme künftig 9 ct. „Das tut mir vor allem für meine älteren Kunden leid, für die das viel Geld ist“, bedauert Heinzelmann.
Zukauf des Brennstoffs
Während er die Biogasanlage vor allem mit Rohstoffen aus den eigenen Flächen und dem eigenen Betrieb füttern konnte (Gülle, Mais, GPS), muss er den Brennstoff für die neue Hackschnitzelheizung von außen zukaufen. Heinzelmann rechnet mit rund 1500 Kubikmeter Jahresverbrauch. Plus die Wärme aus 200 Quadratmetern Solarthermie, die auf dem Hallendach installieren lassen wird. „Irgendwie wird´s weitergehen“, bemüht sich der 47Jährige um Zuversicht. Zumal er nicht der Einzige sei, den die politische Lage derzeit zu solchen Umbrüchen zwinge. Heinzelmann weiß von mehreren Betreibern, die zum Ende der EEG-Förderung über das Ende ihrer Biogasanlagen nachdenken, weil sie keinen Zuschlag im Ausschreibungsverfahren bekommen haben. Darunter viele, die ebenfalls Nahwärmenetze betreiben. „Da muss der Staat einfach reagieren“, wünscht sich Heinzelmann als Land- und Energiewirt dringend weniger politische Einflussnahme und mehr freie Marktwirtschaft.
Dialog mit dem Wirtschaftsministerium
Das Beispiel von Hans Heinzelmann ist nur eines von vielen. Vorstand und Geschäftsführung von renergie Allgäu drängen darum auf einen Dialog mit politischen Entscheidungsträgern. „Uns geht es dabei nicht nur um bessere Konditionen für unsere Biogas-Mitglieder“, stellte Vorsitzender Thomas Hartmann in einem Webex-Meeting mit Dr. Karin Freier, Leiterin des Referats IIIB3 „Windenergie an Land, EEG-Kooperationsausschuss“ im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, „sondern vor allem um das Gelingen der Energiewende!“
Und die sei ohne die Biogasbranche nicht zu schaffen, verwies der Vereinsvorstand in dem einstündigen Gespräch auf das vielfältige Potential der Biomasse-Vergärung: Neben der erneuerbaren Stromerzeugung leistet die Branche einen überaus wichtigen Beitrag zur Wärmewende gerade im ländlichen Raum, trage mit der Güllevergärung zur Demethanisierung und CO₂-Minderung bei, könne flexibel und bedarfsgerecht produzieren, diene so der Netzstabilisierung und der Versorgungssicherheit auch in Dunkel-Flaute-Zeiten. „Ein Ende der Biogaserzeugung konterkariert die Klimaziele der Bundesregierung“, appellierte Hartmann dafür, unverzüglich Maßnahmen zur Sicherung der Anlagen zu treffen. Schritt 1: Eine Erhöhung des Ausschreibungsvolumens und eine Anhebung des Flexzuschlags.
„Biogas ist zu teuer“
Vorschläge, die Dr. Karin Freier oft und immer wieder hört. „Uns ist bewusst, dass wir mit den Anlagen in einer kritischen Situation sind“, zeigte die erfahrene Referatsleiterin durchaus Verständnis für die die Forderungen der Branche. Gerade im letzten halben Jahr habe man im Ministerium sehr viele Gespräche mit verschiedenen Fachverbänden geführt. Ihr Haus arbeite derzeit mit Nachdruck an einer „nationalen Biomassestrategie“ – und stolpere dabei immer wieder über die Preisfrage: Bioenergie sei in der Produktion dreimal teurer als Wind und PV – und durch den hohen Flächenbedarf zusätzlich auch noch weniger effizient. Eine Erhöhung der Ausschreibungsmengen sei schlicht nicht finanzierbar.
Diese Rechnung wollte renergie Beirat Klaus Jekle, selbst Biogasanlagenbetreiber und Projektierer zahlreicher Wärmenetze, so nicht stehen lassen: „Das Ausschreibungsmodell passt nicht mehr in unsere Zeit – und auch nicht mehr zu den veränderten politischen Zielsetzungen.“ So ist zum ersten Januar beispielsweise das Gesetz für die Wärmeplanung und zur Dekarbonisierung der Wärmenetze in Kraft getreten, das Kommunen dazu zwingt, die Wärmeversorgung vor Ort auf moderne, klimafreundliche und zugleich bezahlbare Füße zu stellen. „Dazu leisten wärmegeführte Biogasanlagen gerade im ländlichen Raum einen unverzichtbaren Beitrag“, so Jekle. Genau dieser wichtigen Wärmequelle aber drehe die Bundesregierung gerade den Hahn ab.
Auch die Zukunft seiner eigenen Anlage im schwäbischen Edelstetten (Landkreis Günzburg) hing lange in der Luft. Bei der ersten Ausschreibung im vergangenen Jahr war Jekle nicht zum Zug gekommen, im zweiten Anlauf wartete er sehr lange auf den Bescheid der Bundesnetzagentur. Der Zuschlag kam erst vor wenigen Tagen: 18,0 Cent bekommt er nun für die nächsten zehn Jahre. 7 Cent weniger, als er bisher im EEG bezogen hat. „Die Mindereinnahmen fressen nahezu meinen gesamten Gewinn auf“, rechnet Jekle vor. Ersatzinvestitionen sind damit in Zukunft kaum mehr möglich. Trotzdem wolle er nicht aufgeben. „Weil ich von dem Konzept unserer standortangepassten, familiengeführten Anlagen überzeugt bin – in ökologischer und ökonomischer Hinsicht.“ Um aber weitermachen zu können, brauche er dringend Planungssicherheit und klare Bekenntnisse der Politik.
In einem nächsten Treffen wollen sich Vorstand, Geschäftsführung und Fachberater mit den energiepolitischen Sprechern der Regierungsparteien zusammensetzen, um diese über die praktischen Konsequenzen ihrer politischen Beschlüsse ins Bild zu setzen und so die Entscheidungsfindungsprozesse im Sinne einer funktionierenden Energiewende mitzugestalten. Die Terminanfrage an die Bundestagsabgeordneten Dr. Julia Verlinden (Grüne), Matthias Miersch (SPD) und Michael Kruse (FDP) ist bereits versandt.
Die nächsten Jahre werden Schicksalsjahre für die Betreiber von Biogasanlagen. Ein wirtschaftliches Betreiben dieser Anlagen rückt beim Ende der EEG-Vergütung in weite Ferne. „Die Zugeständnisse, die der Bund vor ein paar Monaten gemacht hat, sind wie so oft nur ein Tropfen auf den heißen Stein“, sagte Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber beim Besuch eines Betriebs in der Nähe von Teisendorf (Lkr. Berchtesgadener Land). Im Austausch mit den Betreibern der Anlage und Vertretern mehrerer Fachverbände, machte sich die Ministerin vor Ort ein Bild von der aktuellen Situation der Biogasbranche. Was die Forderungen Bayerns an den Bund betrifft, wird Agrarministerin nicht müde immer wieder zu betonen: „Jeder, der sich mit der Thematik beschäftigt, kann den drohenden Wegfall von Biogas als wichtigen Bestandteil der Energiewende nicht übersehen. Der Bund muss den Beschluss der Agrarministerkonferenz vom März 2024 endlich ernst nehmen!“
„Ausschreibungsvolumen anheben!“
Konkret bedeutet das nach Ansicht der Ministerin: „Das Allerwichtigste ist es, das Ausschreibungsvolumen auf 1.200 Megawatt anzuheben und die Höchstwerte bei den Ausschreibungen zu erhöhen.“ Auch inflationsbedingte Kostensteigerungen sollten nach Auffassung der Ministerin ausgeglichen werden. Zusätzlich hat der Freistaat im Bundesrat eine Entschließung eingereicht, die zu diesen Forderungen zusätzlich noch eine Erhöhung des Flexzuschlags auf 120 Euro pro Kilowatt und einen Klimazuschlag für Gülleanlagen beinhaltet. „Sollte der Bund nicht umgehend von seinem ideologischen Irrweg abweichen, müssen wir leider davon ausgehen, dass bestehende Anlagen aufgegeben werden müssen. Die Gefahr von Investitions- und Bauruinen besteht dann zwangsläufig“, so die Ministerin weiter.
In Bayern gibt es 2.750 Biogasanlagen mit 1.450 Megawatt elektrischer Leistung. Damit steht rund jede vierte Biogasanlage in Bayern. Biogasanlagen schaffen laut Kaniber langfristig sichere Einnahmen für landwirtschaftliche Betriebe und dienen der Diversifizierung. Rund 11 % der landwirtschaftlichen Fläche Bayerns dient der Biogassubstraterzeugung.
„Die Energiewende findet vor allem im ländlichen Raum statt. Ich verstehe nicht, wieso der Bund die erneuerbaren Energien und die Biomasse aus der Land- und Forstwirtschaft permanent ideologisch getrieben diskriminiert. Wir brauchen jetzt Erleichterungen für die Betreiber der Anlagen, sonst werden wir in naher Zukunft eine wichtige Wertschöpfung für den ländlichen Raum verlieren und die Energiewende aufs Spiel setzen“, warnte Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber abschließend in Richtung Bund.
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Zum Jahresende ist Schluss. Auch wenn Hans Heinzelmann im Moment noch nicht genau weiß, wie es danach für ihn und seine 35 Wärmekunden weitergehen soll – das jedenfalls steht fest: „Ich schließe meine Biogasanlage.“ Der Landwirt und Anlagenbetreiber aus dem Unterallgäuer Kirchheim sieht unter den aktuellen politischen und wirtschaftlichen Bedingungen „definitiv keine Zukunft“ mehr für seine 320 kW-Anlage. „Für 17 Cent je Kilowattstunde kann ich nicht produzieren“, hat sich der 47Jährige dazu entschieden, gar nicht erst in die Ausschreibung zu gehen. Stattdessen plant er nun den Bau eines Hackschnitzelheizwerks, um die Wärmelieferverträge mit seinen Nachbarn weiter erfüllen zu können. Bis Herbst muss die neue Anlage stehen.
Hohe Investitionskosten
In einem langen Gespräch mit Thomas Hartmann, Vorsitzender des Vereins renergie Allgäu und als Energieberater Fachmann für die Projektierung von Nahwärmenetzen, schilderte Hans Heinzelmann seine Not und das Unverständnis über die aktuelle Lage: „Warum reglementiert und schränkt der Staat uns so ein?“ Der Landwirt fordert einen sofortigen Abbau der Bürokratie, eine Aufhebung der Ausschreibungsdeckel und das Ende der diktierten Preise.
Als er vor 20 Jahren die Anlage gebaut und zwei Jahre später von 100 auf 320 kW erweitert hatte, hatte er noch 23 ct/kWh Strom bekommen. Um jetzt in die Ausschreibung gehen zu können, müsste er neben den stetig steigenden laufenden Kosten nach eigenen Berechnungen neuerlich rund eine halbe Mio. € in zwei neue Motoren, neue Einbring- und Rührtechnik investieren – und bekäme deutlich weniger Geld. „Wenn überhaupt – denn mir garantiert ja niemand, dass ich zum Zug komme“, kritisiert Heinzelmann das Ausschreibungsmodell, das nur dazu führe, dass sich die Landwirte im Ringen um einen Zuschlag gegenseitig unterbieten. „Und dieser Preis gilt dann verbindlich für zehn Jahre – egal, wie sich die Kosten und Vergütungen in den Jahren danach entwickeln“, gibt seine Frau Karin zu bedenken. „Das System passt einfach nicht zum Betrieb.“
Hans Heinzelmann ist Landwirt aus Überzeugung und Leidenschaft. Vor gut 20 Jahren hatte er den Betrieb, der seit über 100 Jahren und vielen Generationen im Familienbesitz ist, vom Vater übernommen. Der 15jährige Sohn, das jüngste seiner drei Kinder, möchte den Hof mit rund 250 Aufzuchtrindern später weiterführen. Ihm und Mutter Karin fiel die Entscheidung, die Biogasanlage nach 20 Jahren wieder abzuschalten, am schwersten. „Sie hätten gerne weitergemacht“, erzählt Heinzelmann von langen Diskussionen im Familienrund. Am Ende aber sei die Entscheidung mit Blick auf die Wirtschaftlichkeit und die Versorgungssicherheit gefallen. „Ich kann ja meine Kunden nicht hängen lassen“, sagt Heinzelmann. Und mit den unkalkulierbaren Ausschreibungsrichtlinien sei keine Garantie auf Fortbestand gegeben.
Darum jetzt also die Entscheidung für ein Hackschnitzelheizwerk. Heinzelmann läuft die Zeit davon. „Bis November spätestens muss die Anlage laufen.“ Doch noch wartet er auf die Baugenehmigung durch das zuständige Landratsamt. Erst dann kann er Anträge auf Förderung stellen und mit dem Bau beginnen. Rund 600 000 € wird ihn die neue Anlage nach eigenen Berechnungen kosten. Eine Investition, an der er schweren Herzens auch die Kunden beteiligen muss. Es wird eine neuerliche Anschlussgebühr von 8000 € je Haushalt fällig werden – und statt des bisherigen Pauschalpreises kostet die Kilowattstunde Wärme künftig 9 ct. „Das tut mir vor allem für meine älteren Kunden leid, für die das viel Geld ist“, bedauert Heinzelmann.
Zukauf des Brennstoffs
Während er die Biogasanlage vor allem mit Rohstoffen aus den eigenen Flächen und dem eigenen Betrieb füttern konnte (Gülle, Mais, GPS), muss er den Brennstoff für die neue Hackschnitzelheizung von außen zukaufen. Heinzelmann rechnet mit rund 1500 Kubikmeter Jahresverbrauch. Plus die Wärme aus 200 Quadratmetern Solarthermie, die auf dem Hallendach installieren lassen wird. „Irgendwie wird´s weitergehen“, bemüht sich der 47Jährige um Zuversicht. Zumal er nicht der Einzige sei, den die politische Lage derzeit zu solchen Umbrüchen zwinge. Heinzelmann weiß von mehreren Betreibern, die zum Ende der EEG-Förderung über das Ende ihrer Biogasanlagen nachdenken, weil sie keinen Zuschlag im Ausschreibungsverfahren bekommen haben. Darunter viele, die ebenfalls Nahwärmenetze betreiben. „Da muss der Staat einfach reagieren“, wünscht sich Heinzelmann als Land- und Energiewirt dringend weniger politische Einflussnahme und mehr freie Marktwirtschaft.
Dialog mit dem Wirtschaftsministerium
Das Beispiel von Hans Heinzelmann ist nur eines von vielen. Vorstand und Geschäftsführung von renergie Allgäu drängen darum auf einen Dialog mit politischen Entscheidungsträgern. „Uns geht es dabei nicht nur um bessere Konditionen für unsere Biogas-Mitglieder“, stellte Vorsitzender Thomas Hartmann in einem Webex-Meeting mit Dr. Karin Freier, Leiterin des Referats IIIB3 „Windenergie an Land, EEG-Kooperationsausschuss“ im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, „sondern vor allem um das Gelingen der Energiewende!“
Und die sei ohne die Biogasbranche nicht zu schaffen, verwies der Vereinsvorstand in dem einstündigen Gespräch auf das vielfältige Potential der Biomasse-Vergärung: Neben der erneuerbaren Stromerzeugung leistet die Branche einen überaus wichtigen Beitrag zur Wärmewende gerade im ländlichen Raum, trage mit der Güllevergärung zur Demethanisierung und CO₂-Minderung bei, könne flexibel und bedarfsgerecht produzieren, diene so der Netzstabilisierung und der Versorgungssicherheit auch in Dunkel-Flaute-Zeiten. „Ein Ende der Biogaserzeugung konterkariert die Klimaziele der Bundesregierung“, appellierte Hartmann dafür, unverzüglich Maßnahmen zur Sicherung der Anlagen zu treffen. Schritt 1: Eine Erhöhung des Ausschreibungsvolumens und eine Anhebung des Flexzuschlags.
„Biogas ist zu teuer“
Vorschläge, die Dr. Karin Freier oft und immer wieder hört. „Uns ist bewusst, dass wir mit den Anlagen in einer kritischen Situation sind“, zeigte die erfahrene Referatsleiterin durchaus Verständnis für die die Forderungen der Branche. Gerade im letzten halben Jahr habe man im Ministerium sehr viele Gespräche mit verschiedenen Fachverbänden geführt. Ihr Haus arbeite derzeit mit Nachdruck an einer „nationalen Biomassestrategie“ – und stolpere dabei immer wieder über die Preisfrage: Bioenergie sei in der Produktion dreimal teurer als Wind und PV – und durch den hohen Flächenbedarf zusätzlich auch noch weniger effizient. Eine Erhöhung der Ausschreibungsmengen sei schlicht nicht finanzierbar.
Diese Rechnung wollte renergie Beirat Klaus Jekle, selbst Biogasanlagenbetreiber und Projektierer zahlreicher Wärmenetze, so nicht stehen lassen: „Das Ausschreibungsmodell passt nicht mehr in unsere Zeit – und auch nicht mehr zu den veränderten politischen Zielsetzungen.“ So ist zum ersten Januar beispielsweise das Gesetz für die Wärmeplanung und zur Dekarbonisierung der Wärmenetze in Kraft getreten, das Kommunen dazu zwingt, die Wärmeversorgung vor Ort auf moderne, klimafreundliche und zugleich bezahlbare Füße zu stellen. „Dazu leisten wärmegeführte Biogasanlagen gerade im ländlichen Raum einen unverzichtbaren Beitrag“, so Jekle. Genau dieser wichtigen Wärmequelle aber drehe die Bundesregierung gerade den Hahn ab.
Auch die Zukunft seiner eigenen Anlage im schwäbischen Edelstetten (Landkreis Günzburg) hing lange in der Luft. Bei der ersten Ausschreibung im vergangenen Jahr war Jekle nicht zum Zug gekommen, im zweiten Anlauf wartete er sehr lange auf den Bescheid der Bundesnetzagentur. Der Zuschlag kam erst vor wenigen Tagen: 18,0 Cent bekommt er nun für die nächsten zehn Jahre. 7 Cent weniger, als er bisher im EEG bezogen hat. „Die Mindereinnahmen fressen nahezu meinen gesamten Gewinn auf“, rechnet Jekle vor. Ersatzinvestitionen sind damit in Zukunft kaum mehr möglich. Trotzdem wolle er nicht aufgeben. „Weil ich von dem Konzept unserer standortangepassten, familiengeführten Anlagen überzeugt bin – in ökologischer und ökonomischer Hinsicht.“ Um aber weitermachen zu können, brauche er dringend Planungssicherheit und klare Bekenntnisse der Politik.
In einem nächsten Treffen wollen sich Vorstand, Geschäftsführung und Fachberater mit den energiepolitischen Sprechern der Regierungsparteien zusammensetzen, um diese über die praktischen Konsequenzen ihrer politischen Beschlüsse ins Bild zu setzen und so die Entscheidungsfindungsprozesse im Sinne einer funktionierenden Energiewende mitzugestalten. Die Terminanfrage an die Bundestagsabgeordneten Dr. Julia Verlinden (Grüne), Matthias Miersch (SPD) und Michael Kruse (FDP) ist bereits versandt.
Die nächsten Jahre werden Schicksalsjahre für die Betreiber von Biogasanlagen. Ein wirtschaftliches Betreiben dieser Anlagen rückt beim Ende der EEG-Vergütung in weite Ferne. „Die Zugeständnisse, die der Bund vor ein paar Monaten gemacht hat, sind wie so oft nur ein Tropfen auf den heißen Stein“, sagte Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber beim Besuch eines Betriebs in der Nähe von Teisendorf (Lkr. Berchtesgadener Land). Im Austausch mit den Betreibern der Anlage und Vertretern mehrerer Fachverbände, machte sich die Ministerin vor Ort ein Bild von der aktuellen Situation der Biogasbranche. Was die Forderungen Bayerns an den Bund betrifft, wird Agrarministerin nicht müde immer wieder zu betonen: „Jeder, der sich mit der Thematik beschäftigt, kann den drohenden Wegfall von Biogas als wichtigen Bestandteil der Energiewende nicht übersehen. Der Bund muss den Beschluss der Agrarministerkonferenz vom März 2024 endlich ernst nehmen!“
„Ausschreibungsvolumen anheben!“
Konkret bedeutet das nach Ansicht der Ministerin: „Das Allerwichtigste ist es, das Ausschreibungsvolumen auf 1.200 Megawatt anzuheben und die Höchstwerte bei den Ausschreibungen zu erhöhen.“ Auch inflationsbedingte Kostensteigerungen sollten nach Auffassung der Ministerin ausgeglichen werden. Zusätzlich hat der Freistaat im Bundesrat eine Entschließung eingereicht, die zu diesen Forderungen zusätzlich noch eine Erhöhung des Flexzuschlags auf 120 Euro pro Kilowatt und einen Klimazuschlag für Gülleanlagen beinhaltet. „Sollte der Bund nicht umgehend von seinem ideologischen Irrweg abweichen, müssen wir leider davon ausgehen, dass bestehende Anlagen aufgegeben werden müssen. Die Gefahr von Investitions- und Bauruinen besteht dann zwangsläufig“, so die Ministerin weiter.
In Bayern gibt es 2.750 Biogasanlagen mit 1.450 Megawatt elektrischer Leistung. Damit steht rund jede vierte Biogasanlage in Bayern. Biogasanlagen schaffen laut Kaniber langfristig sichere Einnahmen für landwirtschaftliche Betriebe und dienen der Diversifizierung. Rund 11 % der landwirtschaftlichen Fläche Bayerns dient der Biogassubstraterzeugung.
„Die Energiewende findet vor allem im ländlichen Raum statt. Ich verstehe nicht, wieso der Bund die erneuerbaren Energien und die Biomasse aus der Land- und Forstwirtschaft permanent ideologisch getrieben diskriminiert. Wir brauchen jetzt Erleichterungen für die Betreiber der Anlagen, sonst werden wir in naher Zukunft eine wichtige Wertschöpfung für den ländlichen Raum verlieren und die Energiewende aufs Spiel setzen“, warnte Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber abschließend in Richtung Bund.